Erst im Glauben erkenne ich die Wahrheit.[1]
Für viele mag es heute provokant klingen, wenn eine Glaubensgemeinschaft den absoluten Wahrheitsanspruch erhebt und folglich damit anderen Religionen denselben abspricht, weil ja nur eine/r wirklich Recht haben kann.
Dazu ein paar grundsätzliche Überlegungen:
Zu sagen, der eigene Glaube im Ausdruck der eigenen Religion sei der einzige Weg zur Wahrheit[2] ist an sich nicht intolerant, solange der liebende und verständige Dialog gesucht und mit allen Glaubensvertretern geführt wird, bedingt durch den christlichen Willen zur friedlichen Mission unter Anerkennung der Teilhabe an der Wahrheit aller[3]: „Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott aber aus ehrlichem Herzen sucht, seinen im Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluss der Gnade in der Tat zu erfüllen trachtet, kann das ewige Heil erlangen.“[4]
Es ist aber etwas völlig anderes (und ich meine etwas Falsches), zu sagen, alle Religionen hätten denselben Wahrheitsgehalt und wären nur äußerlich verschiedene, aber gleichberechtigte Zugangsweisen zu Gott, nach dem Motto, viele Wege führen nach Rom, enden aber alle zusammen dort.[5]
Als Christ und Katholik glaube ich nämlich an des Wort Jesu: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen.“[6]
Wie lässt sich diese Festlegung aber vor dem Hintergrund der Toleranz (der Nächstenliebe) und des interreligiösen Dialogs argumentieren?
Der deutsche, evangelische Theologe Harald Lamprecht meint dazu Folgendes: „Der These, dass nur mit einer pluralistischen Religionstheologie interreligiöser Dialog möglich wäre, muss deutlich widersprochen werden. Das Gegenteil scheint stattdessen der Fall zu sein. [Wie festgestellt wurde], treffen in einem interreligiösen Dialog nicht einfach zwei Religionen aufeinander. Vielmehr begegnen sich zwei Menschen, von denen jeder mit seiner eigenen Religiosität in einem Stellvertreterverhältnis zu seiner Religion steht. Um etwas von der Religion des Gegenübers zu verstehen, muss man sich darauf einlassen können.
Ein häufiger Fehler besteht darin, aus der auf der menschlichen Ebene erfahrenen prinzipiellen Gleichwertigkeit der Personen als Menschen auf eine ebensolche Gleichwertigkeit der Religionen zu schließen. Wenn ich nun einen interreligiösen Dialog mit einer von vornherein behaupteten völligen Gleichwertigkeit der Religionen beginne, begebe ich mich in die Gefahr, dass ein einziges zusätzliches Argument für die andere Religion das postulierte Gleichgewicht verschiebt und mich zur Konversion bringen müsste. Dieses Risiko ist dann nur durch den Verzicht auf das verstehende Sich-Einlassen auf die andere Religion zu vermeiden. Das führt wiederum zu der oft zu beobachtenden Blindheit gegenüber den tatsächlichen Ansprüchen der anderen Religionen.“[7]
Kurz gesagt, heißt das: Der interreligiöse Dialog kann tatsächlich nur dann gelingen, wenn beide Diskutanten von der Richtigkeit ihrer eigenen Religion (gegenüber allen anderen) überzeugt sind, wodurch sie allerdings genügend Festigkeit in ihrem Glauben haben, um bei einem wirklich treffenden Gegenargument sich nicht sofort mit anderen Mitteln (Gewalt, Terrorismus usw.) zur Wehr setzten zu müssen.
Zu glauben heißt somit, zu wissen, was richtig und wahr ist, ebenso jedoch auch, diese Wahrheit (oder Teile daraus) beim anderen zu suchen und zu erkennen.
Martin Kolozs, 6. April 2016
Die achte Folge erscheint zum Monatswechsel April/Mai 2016
[1] Zitat von Dietrich Bonnhoeffer (1906-1945)
[2] Exklusivismus
[3] Inklusivismus
[4] Vat. II, Lumen Gentium 16
[5] Pluralismus
[6] Joh 14, 6-7
[7] Vgl. H. Lamprecht, Welche Religion hat die Wahrheit? Grundgedanken zu einer Theologie der Religionen
Titelbild: yeowatzup;Jerusalem Old City from the Mount of Olives, Israel; flickr.com