Text von Markus Liener
Die BP-Wahl in Österreich hat hohe Wellen geschlagen. Die bisher dominante Mitte in Form von SPÖ und ÖVP hatte keinerlei Einfluss auf das Wahlergebnis. Links in Form von Alexander van der Bellen, Rechts in Form von Norbert Hofer gehen in die Stichwahl am 22.05.2016.
Für viele Menschen ist der Zwischensieg von Norbert Hofer eine Katastrophe und ein erster Schritt in Richtung Nationalsozialismus. Für andere ist es ein Schritt heraus aus dem Desaster, dass die SPÖ mit der ÖVP verursacht hat. Beschränkung der Flüchtlingsströme, eine bessere Sicherheitspolitik und wieder weg von pro-europäischer Politik, da sich die europäische Union nicht um den kleinen Mann/die kleine Frau kümmert, sondern realitätsfern und gegen Österreich arbeitet, sollen Österreich wieder lebenswerter machen.
Leider hat dieser Umkehrschwung in der österreichischen Politik, sei es auch „nur“ eine BP‑Wahl, eine Sache deutlich aufgezeigt.
Hass, Abneigung und Ausgrenzung.
Sei es in Form von Hass und Abneigung der eigenen Bevölkerung gegenüber denjenigen, die Norbert Hofer gewählt haben.
Oder in Form von Hass und Ausgrenzung gegenüber Flüchtlingen, die zu uns strömen weil ihr Zuhause nicht mehr existiert.
Genau diese Reaktionen sind jedoch die falschen Gesten.
Es darf nicht eine neue Schiene gefahren werden, in der Menschen, die bestimmte Themen anders betrachten, die anders gewählt haben, die Bezeichnung als „dumm“, „zurückgeblieben“ oder sogar sofort als nationalsozialistisch erhalten.
Gerade jetzt sind solche Kommentare besonders gefährlich und Ideen wie unter anderem eine Demonstration der ÖH gegen Norbert Hofer laufen in die komplett falsche Richtung. Mit solchen Taten setzt man die völlig falschen Zeichen, motiviert unentschlossene Menschen den Kandidaten der FPÖ zu wählen. Vielleicht sogar aus Trotz.
Auch die „schöne“ Tabelle des Standards, in der die Wählerschaft nach Ausbildungsgrad eingeteilt wurde, ist keineswegs hilfreich und fördert noch mehr den Hass und die Abneigung in der eigenen Bevölkerung. Die einen wollen nicht als dumm gelten, die anderen fühlen sich intellektuell überlegen und wollen ihre „klügere“ Meinung anderen aufdrücken.
Aber wie heißt es doch so schön: „Der Klügere gibt nach“.
Und gerade jetzt erhält dieses Sprichwort mehr Bedeutung denn je. Mit Beschimpfungen, mit zwanghafter Darstellung der FPÖ als „Nazipartei“ erreicht man das Gegenteil von dem, was eigentlich eintreten soll. Ein Wahlsieg von van der Bellen und somit ein Wahlsieg von Menschlichkeit, von Offenheit gegenüber Neuem und einem proeuropäischen Österreich.
Wir müssen den unentschlossenen Menschen und damit Wählern aufzeigen, warum sie Van der Bellen wählen sollen, und nicht, warum sie Hofer nicht wählen sollen. Das Ziel darf nicht sein, jemanden zu wählen, weil der andere unwählbar ist, dass Ziel muss sein, Gründe darzulegen, warum es besser ist, den einen dem anderen vorzuziehen.
Ich selbst möchte in 20 Jahren noch weiterhin barrierefrei durch die EU reisen können. Ich möchte die Möglichkeit haben, in anderen europäischen Ländern arbeiten zu können, ohne vorher Jahre auf eine Arbeitserlaubnis warten zu müssen. Ich möchte, dass Menschen, die wenig haben und von Kriegsgebieten nach Europa flüchten, von uns, von der gesamten Bevölkerung der europäischen Union unterstützt werden, damit sie ein neues Zuhause finden. Sei es bei uns oder sei es durch Hilfe und Wiederaufbau in deren Heimat. Ich möchte nicht, dass Menschen ausgestoßen und zurückgelassen werden, nur weil sie nicht das Privileg hatten, in eine intakte Gesellschaft hineingeboren worden zu sein.
Und ich möchte, dass hier die gesamte österreichische Bevölkerung an einem Strang zieht, und nicht 51% dagegen sind und 49% dafür beziehungsweise umgekehrt.
Ich selbst werde aus den oben genannten Gründen van der Bellen wählen. Freiheit, sei es in Form von Reisefreiheit oder Dienstleistungsfreiheit, ist ein ganz besonderes Gut und wird meines Erachtens von vielen zu wenig geschätzt, weil es für uns schon zur Gewohnheit geworden ist. Man denke nur 3 Jahrzehnte zurück, als die Grenzen zu all unseren Nachbarländern noch aufrecht waren und Kontrollen Standard waren. In eine solche Zeit möchte ich nicht mehr zurück.
Titelbild: Kaitlin Shea