Du fragst mich, was Glaube ist #15

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Foto (c) Ted Van Pelt, God 1, flickr.com

Glaube für Anfänger
oder
Radikal glauben.
Als gläubiger Mensch steht man heutzutage in keinem besonders guten Licht; man hört die alten wie die neuen Vorwürfe gegenüber der Kirche und der Religion, welche aber einem persönlich aufgerechnet werden, als wäre man an den Kreuzzügen, Hexenverbrennungen und allen anderen Schreckenstaten durch die Jahrhunderte direkt beteiligt gewesen, oder als hätte es die Bitte um Vergebung, welche Papst Johannes Paul II. am 12. März 2000 im Namen der Kirche formulierte, wie jede andere Reform, nie geben; und man wird wegen seines Glaubens daher oft als dumm, borniert oder weltfremd bezeichnet, als verhindere ein gläubiges Herz gleichsam einen denkenden Kopf, oder anders gesagt: Wer im 21. Jahrhundert noch glaubt, verkennt, was im Namen des Glaubens, der Religion, der Kirche geschehen ist und bis heute geschieht, und darf sich nicht aufgeklärt nennen.
Dem widerspreche ich! Mehr noch, ich sage: Wer diese Meinung über gläubige Menschen vertritt, hängt einer älteren Vorstellung von Glauben an, als diejenigen, welche tatsächlich im Heute ihren Glauben nicht verloren haben, sondern sich in ihrem Denken und Handeln davon leiten lassen, was Jesus selbst uns gesagt und aufgetragen hat: „Das erste [Gebot] ist … Der Herr, unser Gott, ist allein Herr; und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft. Das zweite ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. Größer als diese ist kein anderes Gebot.“ (Mk 12,29-31)
In einem gewissen Sinne ist das radikal, ja, denn es sind die Wurzeln unseres Glaubens: Gottesliebe und Nächstenliebe, die voneinander untrennbar sind. Aber es nicht radikal im Sinne eines Fundamentalismus, welcher sich (lästerlich) zwar auf den Willen Gottes beruft, aber den Nächsten schädigt usw., sondern ausschließlich radikal in der liebenden Hinwendung zu Ursprung und Schöpfung.
Radikal glauben heißt also, in der Liebe zu Gott und den Menschen zu leben, alles außerhalb davon ist (im Rahmen) kein Glaube im Kern, sondern nur gewachsener Glaube; mit anderen Worten: Wenn die Liebe zu Gott und den Nächsten die Wurzeln sind, dann ist alles andere der Stamm, die Äste, die Blätter und die Früchte; der eine ist unverzichtbar für den Fortbestand, die anderen tragen zwar, müssen aber auch ab und an beschnitten werden, und die nächsten fallen ab oder werden geerntet.
Was bedeutet das für den Glauben? Und was für dessen Kritiker? Im Grunde nur eines: Die Wurzel allen Glaubens ist die untrennbare Liebe zu Gott und zum Nächsten, hier ist aller Anfang, immer und für jeden Menschen aufs Neue, ohne Vorbelastung, ohne Vorverurteilung, in Jesu Namen: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt.“ (Joh 13,34)
So schließe ich: Der radikale Glaube wurzelt in, wächst aus und bringt die schöne Frucht der Liebe.
Martin Kolozs, 30. August 2016
Die sechzehnte Folge erscheint zur Monatsmitte September 2016

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