Das Theremin
Das Theremin kennt und hat man im Ohr. Auch wenn das Wort zum Klang fehlt. Die Beach Boys setzten es bei einem ihrer bekanntesten Hits ein. Diverse Filmsequenzen wären ohne dieses Instrument nicht dieselben. Wenn es in Filmen unheimlich wurde, gruselig oder gar außerirdisch, war zumeist das Theremin nicht weit.
Erfunden wurde dieses Instrument bereits im Jahr 1920. Das macht das Theremin zu einem sehr frühen elektronischen Musikinstrument. Die Besonderheit, das einzige Musikinstrument zu sein, das völlig ohne Berührung gespielt werden kann, hat es sich bewahrt. Beim Musizieren beeinflusst die elektrische Kapazität des menschlichen Körpers ein elektromagnetisches Feld. Gespielt wird mit den Händen, deren Position Einfluss auf zwei Elektroden nimmt, die wie Antennen aussehen.
Das alles hört sich reichlich skurill an. Nach Nischenmusik und einem Instrument, das sich lediglich als Gimmick einsetzen lässt.
Carolina Eyck ist eine der federführenden Protagonistinnen, wenn es um die Etablierung dieses Instrumentes außerhalb dieser Nischen geht. Sie war und ist maßgeblich daran beteiligt, dass das Theremin zunehmend die vereinfachende und verniedlichende Zuschreibung des „Gimmicks“ abglegen konnte. Dafür hat die Musikerin Lehrbücher verfasst, zahllose You-Tube-Videos zum Spielen des Theremins online gestellt, mit klassischen Orchestern musiziert und sich ganz generell in unterschiedlichsten Formaten versucht.
Im Zentrum alldessen steht ihre Musikalität. Leicht festlegen lässt sich ihre Musik dabei nicht. Von angeschrägter Pop-Musik mit Björk-Einschlag über jazzig-experimentelle Entwürfe bis hin zu elegisch-klassisch-schwebender Neo-Klassik oder Minimal-Music reicht ihr Spektrum. In Sachen Ausdruckskraft erreicht sie mit jeder Aufnahme neue Meisterschaft. Das Theremin ist bei ihr nicht mehr das schräge und absonderliche Instrument, das nur schräg und absonderlich klingen kann. Es kann bei ihr auch gefällig, abgefahren, schwebend, wunderschön, gespenstisch, melodisch und flächig tönen.
Fantasias
Ihr neue Aufnahme zusammen mit dem „American Contemporary Music Ensemble“, kurz ACME, nennt sie „Fantasias“. Dieser Beschreibung als „Fantasias“ fügt sie die Bezeichnung hinzu, womit diese in Szene gesetzt werden. Theremin und Streicher-Quartett. Mehr hört man auf dieser aktuellen Aufnahmen nicht. Die Aufnahme ist zudem rau. Alles was man vom ACME auf diesem Album hören kann, wurde in Single-Takes eingespielt. Im Raum nur ein paar Mikrophone. Ein recht geringer Aufwand aus heutiger Sicht. Doch mit dieser Methode der Gegenwärtigkeit und der Rauheit wurden in der Tat magische Momente eingefangen.
Die Anweisungen von Eyck bei den Aufnahmen waren zum Teil kryptisch. Sie passen aber absolut zu der hier zu hörenden Musik. „Once more, but with more fireflies, okay?“ lautete zum Beispiel eine ihrer Anweisungen. Die Musiker verstanden. Die Glühwürmchen wurden hörbar, die Musik in all ihrer Leichtigkeit und Verwaschenheit ganz konkret und luzide.
Man schreckt intuitiv davor zurück, diese Aufnahmen persönlich und intim zu nennen. Und doch trifft es zu. Schließlich widmet Eyck diese Kompositionen nicht irgendeinem abstrakten Thema, sondern ihrer Kindheit. Den Wäldern in ihrer Heimat. Der Natur. Sie evozoziert Welten, die man als Erwachsener nur allzu schnell vergisst. Sie erzählt von grünen Wäldern, vom Staunen, von ersten Begegnungen die sich eingeprägt haben. In all das mischt sich eine überschäumende Phantasie. Nicht nur das Licht in den Wäldern wird musikalisch inszeniert, sondern es werden auch springende Flüsse und schlafende Drachen imaginiert. Die Welt dieser Platte ist fremd, vertraut, unheimlich, wunderbar und davon gekennzeichnet, dass sie sich nicht von der puren Vernunft einschränken und festlegen lässt.
Die Form der „Fantasie“ ist somit kein Zufall. Es ist die Form, die wenig Regeln kennt und Freiheiten erlaubt. Durch die relativ Freiheit der Form kommt der Ausdrucks- und Gestaltungswillen der subjektiven Musikalität zum Vorschein und wird priorisiert. Es ist dabei ein Glücksfall, dass Eyck all das in Überfülle besitzt. Sie besitzt eine intensive, geschulte und zugleich kindlich-experimentierfreudige Musikalität, die fesselt und bewegt. Die Erinnerungen an ihre Kindheit und ihr damaliges Staunen sind bei ihr außerdem nicht verschüttet. Schicht um Schicht legt sie diese mehr frei. Eine erwachsene Frau hat die Ausdrucksmittel gefunden um das inneren Kind musikalisch zur vollen Blüte und zum umfassendensten Ausdruck zu bringen.
Fazit
Mit „Fantasias for Theremin and String Quartet“ ist Carolina Eyck ihr vielleicht bislang faszinierendstes Album gelungen. Es ist monothematisch und hat damit den Vorzug, dass es selbst noch die kleinsten Details ausleuchten kann. Diese Plattes strahlt in verschiedensten Farben. Die dominante Farbe ist aber grün. Illuminiert wandelt sich der Farbton, andere Töne und Farben mischen sich hinein. Zuammen ergibt sich eine wundschöne, einnehmende und singuläre Farb- und Klangpalette, die man so tatsächlich noch nie gehört hat.
Zum Reinhören
Titelbild: (c)Carolina Eyck, Bearbeitung: Felix Kozubek