Die Geräusche des Fernsehers rücken in immer weitere Ferne. Die Worte der Protagonisten verschwimmen. Mein Kopf sinkt tiefer in den Polster. Meine Beine werden schwerer. Meine Augen auch. Alles zieht nach unten. Es fühlt sich so elendig schwer an. Ich dämmere vor mich hin, bis ich ganz wegnicke.
Draußen ist es schon dunkel. Die Lichter der Stadt funkeln in der klaren, kalten Nacht. In der Ferne sieht man die Scheinwerfer der Autos, wie sie der Autobahn entlangfahren, die sich am Bergrücken durchs Tal schlängelt. Ich bin eingeschlafen. Keine dreißig Minuten lang, aber eingeschlafen. Orientierungslos greife ich nach der Fernbedienung und schalte den Fernseher aus. Ich muss ins Bett. Es ist 19:12 Uhr.
Wieder so ein Tag, an dem ich einfach nur schlafen könnte. Durchgehend. In der Früh kostet das Aufstehen unglaublich viel Überwindung. Mein Körper will das warme Bett nicht verlassen, sich nicht der Kälte stellen, die da draußen im Badezimmer auf mich wartet. Im Büro fällt selbst das Schreiben einer Mail schwer. Ein ausgiebiger Mittagsschlaf wäre schön. Am Abend nehme ich mir vor Sport zu machen. Das Vorhaben endet auf der Couch.
Seit Tagen geht das nun schon so. Die Welt dreht sich weiter und ich kann einfach nicht mehr mit. Durchgehend habe ich das Gefühl zu spät zu sein, zu spät zu kommen, zu spät zu liefern. Immer hetze ich irgendetwas oder irgendjemandem hinterher. Dem Projekt in der Arbeit, dem Brief, der am Postamt liegt, der Milch, die noch gekauft werden muss, dem Kaffee mit dem besten Freund. Ich komme einfach nicht mehr nach. Immer zu spät.
Und das macht müde. Müde sein, macht müde. Jeder Anruf, jede Kurznachricht, jeder Facebook-Chat wird zur Belastung. Reinste Qual. Ein jeder zerrt und braucht. Alles ist dringend. Kaum jemand scheint Zeit zu haben. An Ruhe ist nicht zu denken. Die Zeit der Stille naht, da will vorher noch einiges erledigt werden. Der Ballast soll im alten Jahr verweilen. Abarbeiten lautet die Devise. Egal was es uns kostet.
Ich bin doch nicht ins Bett gegangen. Die Lichter der Stadt haben nach mir gerufen. Nun schlendere ich durch die verlassenen Gassen der Altstadt. Die Weihnachtsbeleuchtung hängt schon. Direkt über meinem Kopf. Weiße Flocken fallen vom Himmel. Endlich ein wenig Ruhe, Stille. Ein tiefer Atemzug. Ein langer. Die kühle Luft strömt bis in den Bauch hinunter. Und ich bin noch immer müde. Am liebsten würde ich mich einfach nur hinlegen. Jetzt, hier, sofort. Direkt unters Goldene Dachl. Nein! Das geht nicht. Das ist verboten.
Ach Weihnachtszeit, ach Weihnachtszeit. Wo bist du bloß geblieben?
Hier geht es zu der vorherigen Folge von "Kleingeist und Größenwahn".
Schön (oder traurig) zu sehen, dass es anderen haargenau so geht, wie einem selbst. Danke für den Beitrag.
Ich gehe zur Zeit fast jeden dritten Tag baden, weil es der einzige Ort ist, wo ich mal eine Stunde abschalten kann.