Bei der Wahl zum amerikanischen Bundespräsidenten wählten die zur Wahl gegangenen schwarzen Frauen mit überwältigender Mehrheit nicht Donald Trump. Während des Wahlkampfes war Trump außerdem mit frauenfeindlichen bis frauenverachtenden Sprüchen auffällig geworden. Zum Präsidenten machten ihn schließlich vornehmlich weiße und männliche Wähler aus ländlichen Gebieten.
Die Proteste nach seiner Wahl und seiner Vereidigung sind intensiv und eindrucksvoll. Beim Women´s March in Washington ging es etwa um Selbstbestimmung, Kontrolle und zum Teil auch um die Behauptung einer pluralistischen amerikanischen Geschichtsschreibung, deren Wahrheitsgehalt nicht von weißen, reichen Männern diktiert und definiert wird. In diesem Kontext kommt den schwarzen Frauen, die ihre Stimme erheben, eine Sonderrolle zu.
Ihre Forderung nach Selbstbestimmung und -kontrolle ist nicht nur der Kampf von Frauen gegen ein tradiertes und wenig fast schon naturgegebenes Patriarchat, sondern die Einforderung einer anderen und erweiterten Geschichtsschreibung. Schwarze Frauen sind aus der und durch die Weltsicht eines Donald Trump doppelt marginalisiert: Sie sind weibliche Objekte, die sich „dank“ der eigenen Macht beherrschen und benutzen lassen. Sie sind außerdem schwarz und somit von der weißen Geschichtsschreibung weitestgehend ausgeschlossen.
Drei in der Öffentlichkeit stehende schwarze Frauen haben auf die Situation in den U.S.A. mit Kunstwerken hingewiesen. Beyoncé hat mit „Lemonade“ ein immens wichtiges Stück Musik und Bildkunst vorgelegt. In diesem erzählt sie davon, dass eine schwarze Frau von ihrem Mann betrogen wird, dann aber gemeinsam mit anderen schwarzen Frauen die Situation überwindet.
Sie findet Gemeinschaft, gemeinsame Interesse, ihren Kampfgeist, der sich nicht nur gegen ihren untreuen Ehemann richtet, sondern gegen männliche Unterdrückung ganz grundsätzlich. Beyoncé findet von der Mikro- zur Makro-Ebene und lässt unterwegs schwarze Menschenrechtler zu Wort kommen, die behaupten, dass die schwarze Frau in den U.S.A. die Person wäre, die am wenigsten von allen Beachtung findet.
Solange, ihre jüngere Schwester, veröffentlichte mit „A Seat At The Table“ ein grandioses Manifest der schwarzen Kultur. Sie fordert, metaphorisch und explizit, die Rolle und Bedeutung der schwarzen Frau ein. Die schwarze Frau gehört dazu. Derzeit leidet sie noch. Aber sie hat den akuten Schmerz schon überwunden und findet zu klaren Bildern, die Unterdrückung und den Schmerz benennen können. In einer Überleitung des Albums spricht ihre Mutter. Wenn man „Pro-Black“ sei, hieße das nicht automatisch, „Anti-White“ zu sein. In der Schule sei ganz einfach immer nur weiße Geschichte gelernt und gelehrt worden. Jetzt ginge es darum die Schönheit der schwarzen Kunst und Kultur zu entdecken und dafür einzutreten.
Auch die bekannte Aktivistin, Philosophin und Autorin Angela Davis hat sich zu Wort gemeldet. Sie spricht darüber, dass die Geschichte dieses Landes nicht einfach „gelöscht“ und weggewischt werden könne. Sie meint damit unter anderem auch die „schwarze“ Geschichte, die untrennbar mit den U.S.A. verbunden ist. In ihrer Rede beim „Women´s March“ zitiert sie zum Abschluss die afroamerikanische Bürgerrechtlerin Ella Baker: „We who believe in freedom cannot rest until it comes“.
Diese Frauen sind dabei natürlich nur stellvertretend zu sehen. Es ist jedoch deutlich, dass Donald Trump im Moment einige Probleme von einer intellektuellen Öffentlichkeit am Hals hat. Besonders gefährlich könnten ihm aber die akademisch-gebildeten und künstlerisch tätigen schwarzen Frauen werden. Es ist insofern nicht verwunderlich, dass diesen Michelle Obama als Hoffnungsträgerin für eine mögliche an Trump anschließende Präsidentschaft gilt.
Damit ist die Situation kurz skizziert. Wie aber ist es so weit gekommen? Die Rede bei seiner Inauguration gibt Aufschluss. Seine Sprache ist martialisch, ebenso wie seine Gesten. Er erwähnt die schwarze Kultur mit keinem Wort. Vielmehr beschwört er einen gemeinsamen patriotischen Geist. In den Adern aller Amerikaner würde rotes Blut fließen. Damit suggeriert und erhofft er sich eine Art Rückkehr zu einem natürlichen „Urzustand“, der selbstverständlich nie natürlich war, sondern konstruiert und von (weißer) Menschenhand geschaffen und erdacht.
Der Zustand, den Trump im Sinn hat, ist eine Art „vor-kultureller“ Zustand. Ein Zustand, in dem die Fragen nach Gegen-Geschichtsschreibung, berechtigten Interessen von schwarzen Frauen und vieles mehr keine Rolle spielen. Trump ruft dazu auf, dass man endlich aufhören sollte zu reden und endlich handel solle. Sein Zugang zur Welt ist strikt anti-intellektuell und anti-elitär. Wenn er die Elite und das „Establishment“ angreift, dann greift er auch avancierte Diskurse und Praktiken an, die Fortschritte für besagte Bevölkerungsgruppen gebracht haben. Seine Aufforderung zur Handlung darf damit als gefährliche Drohung verstanden werden. Positive Entwicklungen sind dadurch in Gefahr.
Unter dem Vorwand endlich für das „Volk“ und nicht mehr nur für das „Establishment“ da zu sein führt er eine problematische Homogenisierung ein. Sein „Volk“ ist, zumindest in den dominanten und entscheidenden Ebenen, männlich und weiß. Trump begreift die Heterogenität des amerikanischen „Volkes“ nicht als Gewinn und als Chance, sondern als Bedrohung. Er glaubt nicht daran, dass es noch mehr „Gegen-Geschichten“ zu erzählen, sondern dass er zur einen, verbindlichen Erzählung der großartigen U.S.A. zurückzukehren gilt.
Dafür gehen Frauen auf die Straße. Dafür gehen auch schwarze Frauen auf die Straße. Sie erzählen, ganz handfest und massentauglich, von einer anderen U.S.A. Sie erzählen andere Geschichten. Sie wagen es die weiße und männliche Geschichtsschreibung als gewaltvoll, dominant und repressiv anzuprangern und zu beschreiben. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir sollten ihnen dafür dankbar sein.
Titelbild: (c) Gage Skidmore