„Bei uns gibt es Kaffee, Kuchen, Drinks und mehr.“ Weiß eigentlich irgendein Mensch, was dieses „und mehr“ sein soll? Hat das mal jemand bestellt, gegessen, getrunken oder im Arm gehalten? Die Formulierung „und mehr“ ist gerade in der Gastronomie keine Seltenheit. Man liest sie in Kurzbeschreibungen, auf Plakaten, auf Tafeln und auf Speisekarten. Doch was soll das? Wenn ich Lust auf Kuchen habe, gehe ich in die Konditorei. Wenn ich Lust auf Kaffee habe, gehe ich ins Kaffeehaus. Wenn ich Lust auf beides habe, gehe ich in ein Kaffeehaus mit frischen Kuchen. Und wenn ich Lust auf einen Feierabend-Drink habe, in eine nette Bar. So einfach ist das. Dieser Logik folgend stellt sich nun die Frage, welche Lust spricht dieses unsägliche „und mehr“bitte an?
Es gibt wohl nur zwei Gruppen von Menschen, die die Formulierung „und mehr“ in ein Lokal zieht. Unsichere Unentschlossene, die nie so genau wissen was sie eigentlich möchten. Hunger, irgendwie ja, aber keinen großen. Zum Italiener Pasta essen oder doch lieber zum Asiaten? Lieber ein gemütlicher Kaffee oder doch schon ein Glas Wein? Die denken dann: Ach super, da steht „und mehr“, da finde ich sicher was. Die zweite Gruppe sind die „Das ist mir nicht genug“-Typen. Drei Fass und fünf Flaschenbiere auf der Karte reichen einfach nicht aus. Haben sie denn kein rotes Zwickel im Angebot? Die „Das ist mir nicht genug“-Typen brauchen den Extra-Kick, die absolute Entscheidungsfreiheit dank Überangebot. Eine leere Formulierung an der Tafel vor der Eingangstüre reicht dafür bereits aus.
Lustigerweise scheint die Formulierung „Und mehr“ vor allem im Lebensmittelbereich verbreitet zu sein. „Darfs noch ein bisschen mehr sein?“ – kennt man sonst nämlich nur noch von der Wursttheke. Dass man das in einer Bank nie gefragt wird, stellte schon Österreichs „Lieblingsperser“ und Kabarettist Michael Niavarani vor einigen Jahren erschrocken fest. „Und mehr“ wäre in anderen Branchen ohnehin der Lächerlichkeit preisgegeben. „Kommen Sie zu Dr. Föger, ihrem Spezialisten für Herz, Lunge und mehr.“ „Maurer Peter. Wir ziehen Ihnen Wände ein. Und mehr.“ „Marktforschung AmPuls. Wir sagen Ihnen, was die Menschen denken. Und mehr.“ Größenwahn kann so unsexy und verstörend sein!
Bitte liebe Leute. Es muss ja nicht immer mehr sein. Ab und an reichen doch einfach ein heißer Kaffee und ein frischer Kuchen oder ein gutes Glas Wein. Das ist doch das Schöne am „nicht reich sein.“ Weltweit gibt es 2.257 Milliardäre. Alleine im letzten Jahr kamen 343 neue hinzu. 1037 von ihnen konnten ihr Geld noch weiter vermehren. Während diese Super-super-super-Reichen täglich überlegen müssen, wo sie all ihr Geld unterbringen können, REICHt uns ein feiner Nachmittag auf der Sonnenterrasse vor dem immer gleichen Kaffeehaus. Ich jedenfalls kann auf „und mehr“ herzlich verzichten. Noch mehr, als in der Gastronomie, vor allem in der Politik. „Noch mehr“ Hofers, Wilders, Trumps und „noch mehr“ (Macht) von diesem Erdogan haltet mein Blutzuckerspiegel nämlich nicht aus.
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