Erzählkunst
An einem lauen Frühlingsvormittag lud die „Akademie St. Blasius“ zu einer Sonntags-Matinee ins „Vierundeinzig“. Im Rahmen ebendieser kam auch die vierte Symphonie aus der Feder des Tiroler Komponisten Michael F.P. Huber zur Uraufführung. Ebendieser gilt vielen als der neue Tiroler Symphoniker. Diesen Ruf hat er sich vor allem deshalb eingebrockt, weil er sich oft hartnäckig weigert seine Musik wie die mittlerweile nur allzu bekannte Avantgarde-Muzak klingen zu lassen.
Huber erzählt, kommuniziert mit seinem Publikum und trotzt diesem dennoch eine nicht unerhebliche Hörleistung ab. Seine Kompositionen sind dabei nicht abschreckend und elitär, sondern grundsätzlich einladend. Wie sehr sich seine Kompositionen dann in kompositorisches und harmonisches Neuland begeben, merkt der Hörer bei seinen Werken oft erst dann, wenn er mittendrin steht. Huber und seinem Ideenreichtum folgt man gerne. Das liegt auch daran, dass er in der Lage ist die Spannung in seinen Kompositionen aufrecht zu erhalten und den mutigen Hörer immer wieder auch Verschnaufpausen zu gönnen.
Ausleuchtung
Überraschend mächtig und mit vollem Orchesterklang beginnt die Symphonie Nr. 4 im „Vierundeinzig“. Überrumpelung oder klangliche Wucht sind aber bereits in den ersten Sekunden keine Hauptanliegen. Huber ist zwar „Symphoniker“ durch und durch, er erliegt aber nie der Versuchung mit der schieren Klangmacht eines großen Orchesters den Hörer zu emotionalen Reaktionen zu nötigen. Den ersten Satz nennt Huber „Lento lugubre“. Düster ist dieser Satz in der Tat. Langsam und flächig reiben sich Streicher aneinander. Fagott, Hörner und Trompeten kommen subtil-solistische Rollen und stellenweise eine konterkarierende Funktion zu.
Die schaurig-düstere Stimmung bei seiner vierten Symphonie ist nicht vollständig dunkel oder gar auf melancholisch-suhlenden Gleichklang ausgerichtet. Bis in die kleinste Ritze einer möglichen Dunkelheit leuchtet Huber die Stimmung aus und trotzt der Ausweglosigkeit immer wieder Witz und Aberwitz ab.
Das Orchester füllt im Verlauf des ersten Satzes den Raum nicht mit bloßer Lautstärke, sondern mit einer Unzahl von dunkelbunten Klangfarben. Jedes Details ist hörbar, nichts wabert, nichts geht unter. Die Bewegung, obgleich mäandernd, fühlt sich zutiefst logisch an. Die Spannung zieht den Hörer mit durchs Werk und raus aufs weite Land der Klang- und Harmonik-Experimente. Dort ist es nur kurz unbehaglich, denn auch dort weiß Huber sehr viel zu erzählen. Seine reichhaltigen Kompositionsmittel sind für ihn kein Selbstzweck, sondern Möglichkeiten zur möglichst großen und exakten Ausdifferenzierung und zur Steigerung der Klangvielfalt.
Im zweiten Satz kommt zu diesem Farben- und Ideenreichtum der Übermut dazu. Dass dieser selten gut tut lässt sich anhand des folgenden Hörerlebnisses nicht bestätigen. Fagotte, Flöten und Klarinetten kreisen über den Streichern, die anfangs noch eine seltsame Ruhe bewahren. Bald lassen sie sich aber auch hinreißen Schabernack zu treiben. In manchen Passagen glaubt man zudem Spott zu erkennen. So manches Instrument macht sich über den noch unterschwellig vorherrschenden heiligen Ernst der Streicher-Arrangements lustig.
Den dritten Satz beendet Michael F.P. Huber mit dem effektvollen und doch subtilen Einsatz der Sopranistin Maria Ladurner. Einen wirklichen Text verwehrt ihr Huber aber. Sie muss sich mit Lautmalerei begnügen. So weit, dem Publikum mit einem abschließenden Text-Vortrag einer Sängerin die Leseweise seiner Symphonie rückwirkend zu vereindeutigen geht Huber dann doch nicht. Er kommuniziert mit seinen hochkomplexen, aber auf Hörbarkeit hin ausgerichteten Werken zwar mit seinen Zuhörern, überlässt jedoch diesen die letzte Interpretation und verwischt gekonnt Spuren, die es allzu einfach machen könnten.
Fazit
Die vierte Symphonie von Michael F.P. Huber ist ein großer Wurf. Trotz der beachtlichen Dauer von rund 45 Minuten hält sie den Hörer bei der Stange. Dazu braucht es keine vordergründigen Effekte, sondern eine konsequent zu Ende gedachte, ineinander verzahnte und sich hochspannend entwickelnde Symphonie.
Der kompositorische Ansatz von Huber ist mutig und innovativ. Er ist kein Traditionalist und kein Avantgardist. Anstatt sich um Kompositions-Schulen und Genre-Konventionen zu kümmern hat er sich eine ureigene Musiksprache erarbeitet. Mit seiner Symphonie Nr. 4 hat er bewiesen wie befreiend, frisch und mitreißend diese klingen kann.
Nicht zuletzt war auch eine brillant musizierende Akademie St. Blasius für die überaus gelungene Uraufführung verantwortlich. Michael F.P. Huber und die Akademie verbindet eine lange Freundschaft und musikalische Partnerschaft. Mit traumwandlerischer Sicherheit spielte sich das Orchester unter der künstlerischen Leitung und dem Dirigat von Karlheinz Siessl durch das anspruchsvolle und herausfordernde Werk.
Titelbild: (c) Akademie St. Blasius, zu sehen (von links): Michael F.P. Huber, Monika Grabowska und Karlheinz Siessl bei der Probenarbeit