Echter Tod
Beim Ein-Mann-Bandunternehmen Mount Eerie bekommt man den Tod frei Haus geliefert. Die Frau des hinter dem Projekt steckenden Phil Elverum ist an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Die beiden haben eine etwa 1,5 Jahre alte Tochter. So etwas steckt man nicht leicht weg.
Folgerichtig und tonangebend beginnt das Album mit „Real Death“. In diesem merkt Elverum an, dass sich der Tod eigentlich gar nicht dazu eignet, um besungen oder bedichtet zu werden. So werden hier auch sämtliche poetisch und ästhetisch avancierten Verfahren kurzerhand gekappt. Elverum selbst nennt die Musik auf dem Album „barely music“. Der Tod wird nicht wortreich und hochpoetisch besungen und damit auf Distanz gehalten. Der Tod hielt Einzug in sein Haus und wohnte mitten unter ihm.
Wenige Tage nach dem Tod seiner geliebten Frau hat er offenbar, folgt man den Hinweisen in seinen Liedern, mit dem Schreiben der Songs begonnen. Immer wieder gibt es Textstellen und genaue Datumsangaben die belegen, wie lange seine Frau jetzt nun schon tot ist. Elverum besingt ausschließlich Alltagssituationen. Pakete kommen an, die seine Frau noch vor ihrem Tod bestellt hatte und die Geschenke für die eigenen Tochter hätten sein sollen. Elverum reist mit der Asche seiner Frau zu dem Platz, an dem sie sich ein Haus bauen wollten.
Musikalisch geht er ähnlich schmucklos und direkt zur Sache. Ein bisschen Perkussion, ein wenig Gitarre, dezente Keyboard-Tupfer und ein paar kleine Zutaten mehr. Dazu die tieftraurige Stimme von Elverum, der gar keinen poetischen und rationalen Umgang mit dem Tod seiner Frau finden möchte. Das gilt gleichermaßen geographisch als auch ästhetisch. Elverum sucht die Konfrontation und wählt den harten Weg. Er verkriecht sich nicht einsam und trauernd in einer alten Hütte in den kanadischen Wäldern, sondern nimmt das Album zuhause auf. Im Raum, in dem seine Frau starb mit ihrer Gitarre.
Der Hörer der Platte wird damit direkt und unmittelbar erreicht. Man muss sich nicht erst durch dutzende Schichten und Kunstgriffe wühlen, sondern es reicht die Platte aufzulegen und vor allem den Texten zuzuhören. Die einzige Barriere die man überwinden muss ist die eigene Erwartungshaltung.
Zu viele kunstvolle „Todesplatten“ hat man im Kopf, etwa die letzte Platte von Nick Cave, die aber gar keine Todesplatte war. Die Platte entstand schließlich nicht wegen dem Tod seines Sohnes, sondern trotz dem Tod seines Sohnes. Man darf Cave sogar unterstellen, dass er sich mit der Aufnahme von dieser Familientragödie ablenkte. Elverum lenkt sich hingegen nicht ab, sondern lenkt all seine Gedanken, Ideen und Kompositionen hin zum Tod.
Die Platte beginnt mit einfach Dur-Akkorden. Die Komposition zerfällt fast, wirkt dilettantisch. Im Verlauf des Albums ändert sich dieser Eindruck. Die anfangs ineinander überfließenden Lieder haben je eine eigene Identität, auch wenn sie nur um das eine Thema kreisen. Auch hat Elverum trotz seiner tonnenschweren Trauer ein gutes Händchen für interessante Akkord-Variationen und weiß effektvoll und effizient mit Sounds umzugehen. Dann doch gar nicht so kunstlos bemalt er zurückhaltend seine dunkelschwarzen Lieder mit Spritzern von Klavierakkorden und mehr als nur einfach so dahingewischten perkussiven Einfällen. Die großen Sprünge und die allzu große Abwechslung darf man sich dennoch nicht erwarten.
Fazit
„A Crow Looked At Me“ ist die traurigste Platte seit sehr langer Zeit. Die Intimität und Nähe auf dem Album versetzt den Hörer manchmal in die Rolle eines Voyeurs. Soll man wirklich zuhören, wie Elverum so viel und eigentlich alles von sich und seinem Leiden preisgibt? Warum soll man sich das anhören? Eine gute Frage. Die Platte kann womöglich Menschen helfen, die ähnliches durchleben und durchlebten. Vor allem aber erinnert sie all diejenigen, deren geliebte Menschen noch leben, daran, die bestehenden Beziehungen und die ganzen kleinen Alltagsdinge wieder mehr zu schätzen.
Zum Reinhören
Titelbild: (c) Tom Cops, flickr.com, Bearbeitung: Felix Kozubek