Barocke Glücksmomente am Bergl

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Glück


Das Glück kann man nicht festhalten, sondern zumeist nur durch Zufriedenheit ersetzen. Zufälle und Ereignisse lassen sich außerdem nicht planen oder vorhersehen. Momente des Glücks und ein wunderschönes Ereignis ließen sich aber gestern in der „Laurentiuskirche am Bergl“ in Imst erhaschen. Anja Lechner und Olga Watts, beides Musikerinnen von Weltrang, trafen nicht in München aufeinander, sondern in einer kleinen Kirche im Tiroler Oberland. Es sollte ihr erstes Konzert im Duo-Setting sein.
In ebendieser schlichten und doch eindrucksvollen Kirche romanischen Stils spielten Lechner und Watts Kompositionen aus der Blütezeit des Barock. Stilistisch könnte der Kontrast kaum größer sein. Barocke Strenge und musikalische Üppigkeit der Kompositionen trafen auf die Klarheit und Bescheidenheit des Bauwerks. Glücklicherweise sind Watts und Lechner nicht die Art von Musikerinnen, die diesen Werken mit allerlei Verzierungen einen noch prunkvolleren Charakter verleihen.
Im Gegenteil. Raum und Kompositionen fanden immer wieder Entsprechungen. Anja Lechner führte beispielsweise ein strenges, aber sanftes Klangregiment und geizte mit Vibrato. Vor allem in der „Suite für Cello solo in G-Dur“ aus der Feder des ewigen Barock-Meisters Johann Sebastian Bach machte sie ihren Zugang deutlich. Ihr Ton war rau, aber sensibel und differenziert. Die strukturelle Strenge des Werkes trat dadurch nur umso deutlicher zum Vorschein. Lechner bot zumindest bei dieser Interpretation kaum Projektionsfläche für Gefühlsausbrüche und Berückung. Der Ton ihres Cellos stand klar und plastisch im Raum.


Glückliches Zusammentreffen


Olga Watts, die eine Sonate von Giovanni Benedetto Platti folgen ließ, erwies sich als kühne Meisterin ihres Fachs. Trocken und kristallklar spielte sie sich technisch überragend durch die Komposition. Zum Abschluss der ersten Konzerthälfte stand Antonio Vivaldi am Programm. Unter den Händen von Watts und Lechner im Duo-Setting war dieser schlicht ein Ereignis. Zu dieser Auslegung ließ sich mitwippen. Man hätte auch gerne das Tanzbein geschwungen oder zumindest euphorisch mit dem Kopf genickt. Selten jedenfalls bekommt man altbewährte Musik so frisch und lebendig, in ihrer Essenz so pur offen gelegt kredenzt.
Die zweite Konzerthälfte brachte weitere Höhepunkte. Der Höhepunkt der Höhepunkte war dabei das „Präludium in d-moll für Cello solo“ von Carl Friedrich Abel. Dieser komponierte eigentlich für die Gambe. Anja Lechner hatte die Komposition daher für ihr Instrument bearbeitet. Das Stück ließ sie aus dem Vollen der Harmonien und spielerischen Möglichkeiten ihres Instrumentes schöpfen.
Das Duo beschloss das Konzert schließlich gewohnt vital, frisch und spielfreudig mit einem abermaligen Vivaldi. Zur Zugabe ließ sich man sich unter tosendem Applaus und vereinzelten Standing-Ovations nach etwas längerer Zeit doch noch überreden. Es folgte die Wiederholung eines Satzes von Vivaldi aus dem vorangegangenen Programmteil. Lechner schrieb diesem Satz popmusikalische Qualitäten zu. Und tatsächlich trat diese Dimension durch ihre Anleitung noch stärker hervor. Man hatte sich also nicht geirrt: Zu dieser Art von Musik darf man wippen, kopfnicken und sich innerlich befreit, lebendig und glücklich fühlen.
So trat man auch aus dem Konzert. Beglückt, begeistert, bereichert. Für die Dauer des Konzertes hatte man perfekte Augenblicke erlebt. Alles stimmte. Das Settings von Barockmusik in diesem „unbarocken“ Rahmen. Die pure Musizierlust der beiden Musikerinnen, die sich durch das Gelingen ihres Duo-Auftrittes beflügelt immer mehr in einen Spielrausch begaben. Der leichte Wind, der sich unter dem Blick über Imst mit guter Weinbegleitung genießen ließ. Es war ein Glücksfall auf allen Ebenen.


Impressionen


 

Bild: (c) Christoph Stillebacher
Bild: (c) Christoph Stillebacher

Bild: (c) Christoph Stillebacher
Bild: (c) Christoph Stillebacher

Titelbild: (c) Markus Stegmayr

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

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