Unsere Gegenwart ist nicht arm an Hiobsbotschaft und schlechten Nachrichten generell. Nichts konnte einen aber auf eine solche Nachricht vorbereiten. Der schwedische Möbel-Konzern IKEA hat sich in die „nach Umsatz führende Gruppe der Gastronomieketten in Deutschland hochgekocht“. So war es im Spiegel-Online vor zwei Tagen zu lesen. Damit liegt man nur knapp beispielsweise hinter „Subway“. Das „Vapiano“ hat man in Deutschland schon überholt. Das sind schlechte Aussichten für Tirol.
Dabei ist die kulinarische und gastronomische Dystopie in Innsbruck ohnehin schon Realität. Auch ganz ohne IKEA. Die Systemgastronomie ist dominant wie nie zuvor. „Vapiano“ hat sich auch in Innsbruck eingenistet und ist allseits beliebt und hoch frequentiert. Die „L´Osteria“, die in deutschen Großstädten an jeder Ecke zu finden ist, hat außerdem in der Landeshauptstadt ein Plätzchen gefunden. Gleich zwei Filialen besitzt darüber hinaus „My Indigo“in der selbsternannten Alpenmetropole. Neuerdings hat Innsbruck gar ein „Hard Rock Café“. Auch dieses lässt sich der Struktur nach zur Systemgastronomie zählen. Zu guter Letzt gibt es auch noch Subway- und McDonalds Filialen, an die wir uns schon lange gewöhnt haben.
Die Systemgastronomie ist vor allem von Normierung und Steuerung gekennzeichnet. Das soll gleichbleibende Qualität garantieren. Von der korrekten Zubereitung bis hin zu den richtigen Handgriffen bei ebendieser gibt es Standards, die einzuhalten sind.
Dass IKEA zunehmend eine ernsthafte Option ist, wenn es um das nächste Mittagessen geht, ist in diesem Kontext nur logisch. Längst haben wir uns an die Ketten und Konzerne gewöhnt, die uns mit ihrem standardisierten Essen versorgen, das auch anderswo und in manchen Fällen sogar weltweit fast gleich schmeckt. So etwas gibt Sicherheit. Das stärkt das Vertrauen in die Marke und in deren Normen und Standards. Risiken möchten wir immer seltener eingehen.
Verständlich. Riskant sind viele andere Bereiche des Lebens. Kulinarisch möchten wir auf Nummer Sicher gehen. Was wissen wir denn schon von den Hygiene-Standards beim Dorfwirt? Den Kontrollen der lokalen Behörden und den kochenden Einzelpersonen vertrauen wir offenbar weniger als den Strukturen von Ketten und Konzerne.
Damit riskieren wir aber letzten Endes alles. Alles was kulinarisch wirklich zählt. Wir verlieren das Nicht-Standardisierte, das Besondere und das Einzigartige. Dasjenige, das sich eben nicht weltweit normieren und mit den gleichen Zutaten und Handgriffen vervielfältigen lässt. Wir verlieren das Hier und Jetzt der Kulinarik. Überschwemmt uns die System-Gastronomie, so überschwemmt uns auch das Prinzip des Immergleichen und Gleichmachenden.
Die Situation ist dabei komplexer als man annehmen könnte. Längst hat man begriffen, dass der Konsument Individualität schätzt. Bei all der Standardisierung darf diese nicht zu kurz kommen. Deshalb wird das Individuum schlicht und einfach in die normierten Prozesse der Konzerne und Ketten mit eingebunden. Der Kunde baut sich seinen Burger nach gewissen Vorgaben und mit bestimmten Zutaten selbst. Auch IKEA wird in Zukunft verstärkt darauf setzen, dass sich Konsumenten, ganz im Sinne der Möbel ebendort, ihre Hotdogs selbst zusammenstellen und zusammenbauen können.
Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis IKEA in Tirol eine gewichtige Rolle im Gastronomie-Markt spielen wird. Es wird die logische Entwicklung in einer Reihe von Entwicklungen sein. In Zukunft essen wir normiertes Essen in normierten Räumen. Natürlich haben wir uns aber alles vorher schön selbst zusammengestellt und haben die Umsetzung unserer Wünsche in die Hände von vertrauenswürdigen Konzernen gegeben. Jetzt sind beide Seiten wunschlos glücklich.
Titelbild: (c) Lutz Marl, flickr.com