Fügung
Man habe eigentlich keine Stimme gesucht. Das erzählen mir „Kompost 3“ bei einem Gespräch in Saalfelden. Aber eine Zusammenarbeit mit Mira Lu Kovacs wollte man angehen. Einige Zeit später sei ein Gig im Wiener Konzerthaus angestanden. Damals noch unter „Kompost 3 feat. Mira Lu Kovacs“. Auf diesen Auftritt hin hatte man auch eine EP produziert. Jetzt steht die Veröffentlichung des Debüt-Albums unmittelbar bevor. Darauf sind auch einige Tracks der EP zu finden. Allerdings in neuen Bearbeitungen. Aufgenommen wurde im Gemeinschaftsstudio in Wien und zum Teil auch in New York.
Am Anfang stand „Anthem“. Der Track basiert auf einer damals bereits veröffentlichten Komposition von Kompost 3. Das Zusammentreffen von Kompost 3 und Mira Lu Kovacs, ansonsten ja primär für ihr Projekt „Schmieds Puls“ bekannt, darf ohne Übertreibung als magisch beschrieben werden. Sie bringt dem eigentlich kalt-technoid groovenden Song Seele und Gefühl bei. Doch auch ihre Stimme ist kälter als üblich. Es klingt als würde das kalte Herz dieses Songs erst langsam auftauen. Als würde ein Roboter entdecken, dass er menschliche Gefühle hat.
Das spiegelt auch der Bandname wider. Mira Lu Kovacs findet, dass er wie ein „kaltherziger Produktname“ klingt. Dass da eine Kritik am Massenkonsum und an der Schnelllebigkeit unserer Zeit inkludiert ist versteht sich von selbst. Der Name betont aber auch, dass jetzt etwas neues enstehen soll, das mehr als nur die Summe der einzelnen Teil ist. Es handelt sich bei diesem Projekt eben nicht um Kompost 3 und Mira Lu Kovacs, die es temporär miteinander versuchen. Entstanden ist eine wirkliche Band, in der man sich gegenseitig beeinflusst, pusht und auf andere Ebenen hievt.
Album
Das wurde auch beim Auftritt im Rahmen des Jazzfestivals Saalfelden deutlich. Mira steht nicht im Zentrum. Auf der Bühne steht sie links, der Trompeter Martin Eberle ganz rechts. Dazwischen werkeln Bass, Schlagzeug und Keyboard. Natürlich zieht die Sängerin dennoch die meisten Blicke auf sich. Selbstverständlich bildet sie so etwas wie das emotionale Zentrum. Ihr Gesang ist warm, direkt und hat doch eine gewisse Kälte. Die Stimme wahrt Distanz. Es wirkt, als würde sich Mira Lu weniger offenbaren als sonst. Sie widerspricht mir in dieser Sache. „Es geht immer um Selbstoffenbarung“, sagt sie.
Deutlich ist aber, dass sie anders agiert. Immerhin spielt sie schon einmal, wie sonst üblich, nicht Gitarre. Da gibt ihr Freiheiten. Sie experimentiert mehr mit ihrer Stimme, integriert sich in den Bandsound, lässt die Stimme auch manchmal nur purer Klang sein, ohne dass sie Inhalt transportieren muss. Sie fühlt sich in dieser Rolle sichtlich wohl. Die Bands lässt außerdem sich von Momenten offenherziger Emotionalität mitreißen. Beide Seiten profitieren und es ergeben sich Momente, die Gänsehaut erzeugen.
Solche Momente hat auch „And to in A“, das am Freitag erscheinende Debüt-Album von 5K HD, zur Genüge. Man steigt mit „Anthem“ ein und endet mit dem Titeltrack. Auf der wenige Tage später erscheinenden Vinyl-Ausgabe wird die Tracklist differieren. Das lässt darauf schließen, dass die Tracklist nicht notwendigerweise und zwingend genau so zu sein hat, wie sie gerade vorliegt. Doch der Fluss des Albums funktioniert. Es lebt aber auch von Brüchen, verschiedenen Sounds und Zugängen. Die Aufnahme an verschiedenen Orten mit verschiedenen Verfahren und Techniken hört man der Platte an. Das ist positiv. Jeder Song hat einen eigenen Charakter und kann für sich stehen. Auf Füllmaterial verzichtet man komplett.
Es ist eines der faszinierendsten Alben der letzten Jahre, das von Musikern österreichischer Herkunft auf die Beine gestellt wurde. Das liegt vor allem daran, dass man ihm seine Herkunft zuerst nicht anhört. Weit entfernt ist das alles von der üblichen Wiener Pop-Schludrigkeit. Dilettantismus wird einem hier nicht als charmante Eigenschaft einer Band von nebenan verkauft. 5K HD meinen es ernst. Ihre Musik klingt so, als könnte sie auch in New York einschlagen.
Das ist überhaupt eine der Haupteigenschaften dieser Band. Sie hält sich gerne und erfolgreich in vielen Musikwelten auf und schlägt sich in jeder dieser Welten souverän. Bemerkenswert beispielsweise, dass sie vor wenigen Wochen von FM4 für ihren Auftritt beim „Popfest Wien“ euphorisch gefeiert wurde und wenige Wochen später bei einem Jazzfestival auf der Bühne steht.
Die Distanz beim Jazzfestival war größer. Nicht jeder war vollends begeistert. Schließlich verwandelten 5K HD die „Mainstage“ mit Lichteffekten zu einer Bühne, die einem Popkonzert würdig gewesen wäre. Tatsächlich sind die Sounds und Beats, live ebenso wie auf Platte, verführerisch tanzbar und zugleich abgedreht und ungewöhnlich genug um auch dem anspruchsvollen Hörer zuzusagen. Über allem schwebt die Stimme von Mira Lu Kovacs, die Melodien singt, die sich auf leicht angeschrägte Weise im Ohr verankern.
Fazit
Mit „And to in A“ ist 5K HD eine Platte von höchster Güte gelungen, die international einschlagen könnte. Grenzen, Zuschreibungen und Einschränken sind hier konsequent suspendiert. Es ist eine grenzenlose Platte, die auf offene Ohren treffen sollte. Sogar Eberhard Forcher von Ö3 hat bereits ein Ohr auf die Band geworfen. Gut möglich also, dass 5K HD in Zukunft omnipräsent in ganz verschiedenen Kontexten sein werden. Im Formatradio. Auf Jazzfestivals. Bei den großen Indie-Festivals dieser Welt. Das Album bietet jedenfalls die perfekte Grundlage um genau das zu erreichen.
Zum Reinhören
Titelbild: (c) Matthias Heschl