Dieser Text wurde zuerst in der UNIpress veröffentlicht
Das Problem mit den Erwartungen ist, dass diese Höllengeburten immer und immer wiederkehren. Eine wahre Heimsuchung der eigenen Hoffnung quasi. Klamm und heimlich schleichen sie sich in unsere Herzen und später in unsere Gedanken. Dabei verwenden sie eine solch gefinkelte Tarnung, dass es uns meist erst auffällt, wenn es zu spät ist. Das charakterisiert das Wesen der Erwartungen generell. Erst im Moment des Todes, wenn sie ohne große Vorwarnung platzen, erkennen wir ihr wahres Ich. Erwartungen verschonen dabei keinen unserer Lebensbereiche. Ob unter der Dusche, beim Blick nach unten, beim Frühstück, beim Gang ins Büro oder an die Uni, bei Kaffee am Nachmittag, beim ersten Date, beim Chillen auf der Couch oder abends im Bett – diese hinterfotzigen Wesen nisten sich ein, ob es uns nun passt oder nicht.
Doch gibt es Möglichkeiten diese Bälger des Gefallenen frühzeitig zu enttarnen? Folgen sie düsteren Gesetzen einer dunklen Natur, die uns erkennen lassen, wann und wie sich ein solches Monster von hinten anschleicht? Gibt es einen grauen Streifen am dunklen Firmament, der uns Hoffnung macht? Nein. Natürlich nicht. Erkennt ihr es nicht? Dieser graue Streifen ist nichts anderes als der dornenverseuchte Schwanz des Beelzebuben, der nur darauf wartet unseren geschundenen Rücken auszupeitschen. Während wir uns verzweifelt an die Hoffnung klammern und uns schon in Sicherheit wähnen, ist ein lauten Knacken zu hören. Wie wenn Knochen brechen. Es ist das Lachen des Antichristen, der sich amüsiert und sich an unserer Naivität labt.
Nein. Es gibt kein Entrinnen. Selbst der Gedanke daran saugt uns den letzten Hauch von Lebensenergie aus den Zellen. Er nährt das Böse, denn er gaukelt uns etwas vor. Das Leben ist kein planbares Konstrukt, das einer von uns erdachten Logik folgt. Das Leben ist ein ewiges Auf und Ab, ein Hin und Her. Es ist eine Brotteigmaschine des Seins, die uns unentwegt knetet, verdichtet und wieder lockert. Die uns Wasser übers Haupt gießt und uns fast zum Austrocknen bringt. Das Leben ist ein perfides Spiel. Eine Aneinanderreihung von Chaos und Zufall, die in einem solchen Tempo wiederkehren, dass wir glauben ein System erkennen zu können. Doch wenn wir zum Stift greifen, um die Gleichung zu lösen, wir auf dem X ein Unendlich-Zeichen und alles vermeintlich Greifbare löst sich in einem Hauch von Nichts auf.
Glück kann man nicht einfach heraufbeschwören. Glück ist die gleiche Illusion, das gleiche zarte Vöglein wie alles andere in unserem kurzen irdischen Leben. Das dritte Date wir nicht mit einem Kuss enden und die Schmetterlinge meiner ersten Jugendliebe wieder zum Leben erwecken, nur weil ich es mir so vorstelle. Genauso gut könnte das dritte Date auch im Krankenhaus enden, weil die Decke im Restaurant von exotischen Termiten zerfressen wurde und der wunderschöne alte Holzbalken aus dem 18. Jahrhundert meinem Gegenüber den Kopf gekostet hat. Ohne Kopf ist schwer küssen und ohne Mageninhalt schwer Schmetterlinge zum Fliegen zu bringen.
Wer alles auf einen Moment, auf ein Gefühl setzt, läuft Gefahr bitter enttäuscht zu werden. Das hat nichts mit Pessimismus zu tun – ein leeres Glas ist ein gutes Glas – es geht hier um eine Frage von Timing und Ungeduld. Wer nicht warten kann, braucht auch nichts zu erwarten. Wer nicht erwartet, der kann nur überrascht werden. Und sind Überraschungen nicht die schönsten Momente der Welt? Wenn Erwartungen die Kinder des Teufels sind, dann sind Überraschungen Geschenke des Himmels.
Was wäre also, wenn wir in diesem Jahr den 14. Februar einfach den 14. Februar sein lassen und unseren Liebsten/unsere Liebste am nächsten schönen Tag frühzeitig aus dem Büro, der Bibliothek oder dem Seminarraum abholen, durch den Hofgarten oder am Inn entlang spazieren und danach machen worauf auch immer wir gerade Lust haben. Das wäre überraschend. Sogar für dich, oder? Fröhlichen Giselastag (13. Februar!) allerseits …
Titelbild: (c) Zeitfixierer, flickr.com