Was, wenn der Patscherkofel ausbricht? So richtig mit Rauch, Explosion und Lava? Dann ist zumindest die Seilbahn hin. Den Wintertourismus kann man vorerst vergessen. Der Wohnraum in Innsbruck wird nicht knapp, sondern reduziert sich auf die Fläche der höchsten Häuser im O-Dorf und des Hubschrauberlandeplatzes auf der Klinik. Wahlkampf muss man dann auch keinen mehr machen.
Aber wohin evakuieren wir uns? Es ist ja doch alles von Bergen umstellt. Da bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig, als die Katastrophe über uns hinweg ziehen zu lassen. Oder todesmutig das überraschende Innenleben des Patscherkofels zu feiern – Verehrer der Berge (explodierend und nichtexplodierend), die wir unweigerlich sind.
Vergangene Woche wurde das Ferdinandeum gestürmt, um den wunderbaren Lokalmythos „Vulcania“ – wer kann sich nicht aus seiner Kindheit darin erinnern? – in einer modernisierten Fassung auf die Bühne zu bringen. Die Performer sind blackfaced wie in den guten alten Zeiten und mit schwarzem Lametta behängt wie Marylin Mansons Weihnachtsbaum. Im Publikum sauft man geschwärzten Marillenschnaps, der als Teil der Performance verteilt wird, und unterhält sich auf breitem Tirolerisch. Irgendwann sagt meine Begleiterin: „Das ist die Emma um 8 Uhr morgens.“ (Nur die Musik ist etwas besser)
Marko Sulz definiert mit wunderbar trashigem Ambient das Ambiente, während einige namhafte Damen aus der lokalen Off-Theaterszene das Publikum durch einen ebenso magischen wie irritierenden Abend geleiten. Nach Begehung des indigenen Fruchtbarkeitsritus am Fuße des erodierenden Patscherkofels, dargestellt in einer äußerst kunstvollen Videomontage, soll der Zuschauer die geheimen Hallen dieser über- (oder eigentlich unter-) irdischen Frauensekte begehen. Über die Vorgänge im Inneren des Berges möchte ich lieber schweigen, kann aber versichern: Es war noch um einiges mythischer, als den Schauplatz der Bergisel-Schlacht zu besuchen…
Inszeniert wurde das wilde Treiben von Transmedia-Künstlerin Nicole Weniger, die man als Konstante im Tiroler Kunstleben und vielleicht auch von ihrem Projekt „Guess what I wear under my Burka?“ her kennt. Ein Blick ins Portfolio verrät, dass sie für den Vulkan offenbar eine tiefere Leidenschaft hegt – und wehe, wenn die ausbricht.
Die dionysischen Lokalriten, die hier unter Anwendung von wunderschönen und das Verhüllungsverbot geradezu herausfordernde Kopfbedeckungen leicht entfremdet wiedergegeben werden, sind vermutlich das ethnologisch Interessanteste, was der Tiroler Markt derzeit zu bieten hat.
Wie bei vielem Neuen ist es auch bei „V U L C a N I a“ so, dass man vielleicht nicht versteht, worum es geht oder welchen Regeln dieses Spiel gehorcht. Aber wenn man sich einfach mal drauf einlässt, ist es so richtig schön.
Titelbild: (c) Nicole Weniger