In wirklich alten Häusern in Wien trifft man noch auf das Schild im Stiegenhaus: Spucken verboten! Das geht auf eine anti-epidemische Maßnahme zurück, als man der Tuberkulose in der von Fuhrwerken aufgewühlten Stadtluft nur mit Mühe Herr werden konnte.
Später ist das Spuckverbot zu einer Benimmregel geworden wie das Halten eines Suppenlöffels, den man nicht mit der geballten Faust umfassen soll, wenn man ihn zu Munde führt.
Mit dem Aufkommen der digitalen Welt haben immer weniger verstanden, warum man nicht spucken soll, weil das ja nichts anderes ist als ein Mausklick, halt eben mit dem Mund ausgeführt.
Bei dieser Gelegenheit ist auch das schöne Wort Klachel ausgestorben, das eigentlich einen harten männlichen Gegenstand bezeichnet, der sinnlos durch die Lüfte saust. Einen Klachel auf den Gehsteig setzen war immer schon eine besonders männliche Tat.
Die Multikulti-Fans hören es nicht gerne, aber seit viele Kulturen in unser Land einmigriert sind, ist auch der Klachel wieder en vogue. In manchen Kulturen ist es nämlich üblich, dass man beim Verlassen oder Betreten eines Hauses einen Klachel setzt. Da auch Busse und Straßenbahnen etwas wie ein Haus sind, werden besonders an Haltestellen diese Bodenmarkierungen der schleimigen Art fixiert. Oft erreichen sie ein Ausmaß, dass man auszurutschen droht, wenn man zu schnelle Bewegungen in den Asphalt setzt.
Mit dem „pandämonischen“ Putsch durch das Virus wird das Spucken ab und zu etwas gebremst, wiewohl manche in den Mundschutz spucken, weil sie diesen für ein permanentes Taschentuch halten.
Also alles in Ordnung, könnte man meinen, eine Kultur kommt und geht, je nachdem, wie gefährlich sie ist.
Aber halt, jetzt kommt das Fußballspiel wieder ins Fernsehen. Am Rasen waten wieder seltene Frisurträger durch die Kunsthalme und spucken, was das Zeug hält. Es geht nämlich nicht darum, den Ball irgendwohin zu treten, sondern den Gegner indirekt zu Boden zu bringen. Denn auf einem Liter Spucke rutscht jeder Gegner aus, auch wenn er noch so starke Anti-Spucke-Spikes trägt.
Der Ball, das wissen die Profizuschauer längst, ist nur eine Ablenkung, auf die man versehentlich schaut, um das Spucken nicht sehen zu müssen.
Erst bei Geisterspielen kommt der Klachel zur richtigen Entfaltung. Da keine Geräusche von der Tribüne das Geschehen stören, sieht man den Spuckschleim nicht nur, wie er durch die Gegend saust, man hört ihn auch.
Denn der Klachel hat nicht nur eine multikulturelle Konsistenz, er ist auch eine Universalsprache, weshalb er oft von jenen angewendet wird, die in einem fremden Land noch nicht ganz mit dessen Sprache zurecht kommen.
Gibt es eigentlich bei Integrationskursen irgendwo eine Stelle im Curriculum, wo drin steht, dass spucken kontraproduktiv ist, wenn man heimisch werden will?
STICHPUNKT 20|13, verfasst am 13. Mai 2020