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Heimische Häuslbauer lernen selten aus Katastrophen oder: Geiz könnte geil sein

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Was tun, wenn eine Katastrophe dein Haus verwüstet hat (durch Murenabgang/ Lawine/ Überschwemmung/ Buschfeuer/ oder anderes — such´s dir aus!) und alle prophezeien dir, diese Katastrophe wird sich in absehbarer Zeit wiederholen: Baust du mit dem Geld aus Katastrophenfonds und Versicherung das exakt gleiche alte Haus an der exakt gleichen Stelle wieder auf? 

Wenn du mit sehr viel Vermögen oder Erbschaftsglück die Möglichkeit dazu hast, wirst du dir hoffentlich eine andere Stelle suchen oder zumindest das neue Bauwerk auf den neuesten Sicherheitsstandard bringen. Falls du unglücklicherweise kein Geld und keine Versicherung hast, wirst du dich leider bei den 80 Millionen Katastrophenflüchtlingen einreihen müssen. Aber gottlob haben wir hierzulande (fast) alle das unverdiente Glück, mehr oder weniger versichert zu sein. Also reißt du wahrscheinlich unter Tränen die letzten Trümmer auch noch ein und baust mit Hilfe der Versicherung neu, und dies so, dass dein neues Haus dann die nächsten fünfzig oder hundert Jahre überstehen wird, oder? Würde man meinen. Aber nein. Eine Studie der BOKU Wien hat ergeben, dass das nur einer von hundert von einer Naturkatastrophe Betroffenen in Österreich tut.*

Offenbar hängen die anderen 99% der Österreicher so am Althergebrachten oder bekommen so wenig Unterstützung, dass sie den Neubau wieder auf den gleichen Platz, auf das alte, womöglich morsche Fundament draufsetzen. Was ist mit uns los? Würdest du jemand, der ein neues Haus mit einem alten Böller-Kohleofen, den zu dünnen Wänden und den zugigen Fenstern der 50-er Jahre baut, nicht mit Fug und Recht als völlig verrückt bezeichnen?

Soeben hat vielen von uns die Corona-Katastrophe unsere gewohnte Wirtschaft, das liebgewonnene alte Haus, das Lebenswerk oft mehrerer Generationen, weggeschwemmt. Jeder beweint den Verlust. Aber wenn wir dieses Haus jetzt mit unser aller Steuergeld wieder so aufstellen, wie es vorher war, sind wir mehr als nur dumm. Ein nächstes Mal, nämlich bei der bereits sich anbahnenden Katastrophe des Klimawandels, wird die Versicherung (unser Staatshaushalt) unsere Verluste nicht einmal ansatzweise mehr ersetzen können. Also: Tränen abwischen, Fotos vom Vergangenen ins Album kleben und neu planen, was für die nächsten fünfzig bis hundert Jahre nötig sein wird und was nicht.

Was wollen wir den nächsten Generationen übergeben: Saubere Luft und sauberes Wasser, gesunde Ackerböden für genügend Lebensmittel, eine gerechte Verteilung von Boden und Geld, Versorgungssicherheit in Krankheit, Alter und Not, energieautarken Wohnraum und Mobilität, allen zugängliche Kommunikationsmittel ebenso wie lebenswerte Arbeit und Ausbildungsmöglichkeiten, einen funktionierenden demokratischen Staat (der kann auch Europa heißen) und sozialen Frieden.

Was in alter Form sicher nicht mehr benötigt werden wird: Massentourismus mit unmöglichem Ressourcenverbrauch, vier und mehr Kleiderkollektionen pro Jahr, Wochenend-Fernreisen zum Billigsttarif. Ebenso verzichten können wir auf viele Fluglinien und dritte Pisten, auf Skischaukeln und Riesenstauseen, die bei zunehmend tauendem Schnee und Permafrost sowieso bloß ganze Täler wirtschaftlich und geografisch verwüsten werden. Und…und…und… Lassen wir den sinnlosen Luxus sausen und konzentrieren wir uns aufs Wesentliche. Dann müsste das Geld reichen. Schmeißen wir es nicht jenen nach, die jetzt ganz laut schreien, um ihre alte Villa zurückzukriegen.

Wenn zurzeit die österreichische Regierung unter Herrn Kurz bei den Italienern und Spaniern mit pauschalen Zuwendungen für den Wiederaufbau geizt, dann halten wir es doch bitte im eigenen Land genauso! Das teuer wieder aufgebaute Haus ein zweites Mal den Bach runtergehen zu sehen, wäre noch viel schmerzlicher als ein wenig Verzicht auf Verzichtbares.

Also, Herr Kurz: Wenden Sie ihr Wien-Wahlkampf-Geilomobil bitte von Brüssel weg und kurven Sie damit einmal durch Österreich!

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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