Man soll ja nicht immer nur schimpfen, obwohl die Zeiten danach sind, und auch sich dauernd zu fürchten, sei es vor einem Virus oder sonstwelchen Krisen, Katastrophen und allerlei menschengemachtem Unsinn, bringt uns nicht wirklich weiter. Seien wir also heiter, schließlich scheint meistenteils die Sonne, es ist sommerlich warm, aber nicht zu warm, für die Gärtner unter uns regnet es auch genug, oder wenigstens fast genug, und außerdem habe ich vor ein paar Tagen in der tiroler Zeitschrift „Quart“ etwas Interessantes gelesen, was außer mir wahrscheinlich alle wissen. Aber mir hat es garantiert noch nie wer erzählt, weder in der Schulzeit, die dafür die angemessene Periode gewesen wäre, noch später, als ich mich immer wieder auch landeskundlich betätigt habe, ist mir der Name Erika Cremer begegnet. Sie gilt als eine der maßgeblichen Figuren bei der Entwicklung der Gaschromatographie seit den 1940er Jahren, eine Methode, um Gase auf ihre Bestandteile hin zu untersuchen, wobei selbst kleinste Spuren von Substanzen gefunden werden können.
Ich bin kein übermäßig flammender Lokalpatriot, aber man freut sich doch, wenn man hört, daß hierorts dann und wann Bemerkenswertes geleistet wurde oder stattfand. Es gab also hier in Innsbruck am Chemischen Institut der Universität die obgenannte Dame. Im Jahr 1900 in München geboren, hatte sie es fertiggebracht, in ihrer Eigenschaft als Frau nicht nur Chemie zu studieren, sondern auch 1927 summa cum laude zu promovieren, was spätestens nach der Habilitation (1938) bei den männlichen Strebsamen umgehend zum Eintritt in das schöne große Gebäude von Lehre und Forschung, genannt Universität, geführt hätte. Diese Dame, mit einem auch sonst und überhaupt interessanten Lebenslauf, hatte aber fast ihr ganzes Berufsleben mit dem widrigen Umstand zu kämpfen, daß sie eben eine Dame war, und die Dozentenstelle, die sie endlich 1940 in Innsbruck ergatterte, war lediglich dem Umstand zu verdanken, daß die Männer nun dringend für Führer und Vaterland an die Front geschickt werden mußten. Sie erhielt die Stelle auch nur unter der einschränkenden Bedingung, daß nach erfolgtem siegreichem Ende des Krieges sie diese wieder zu räumen hätte … Immerhin scheint sie gern nach Innsbruck gezogen zu sein, wie die englische Wikipedia-Seite zu berichten weiß, „because she was able to mountain climb, a hobby of hers“.
Eine erste kurze Arbeit zur Gaschromatogaphie konnte 1944 nicht mehr erscheinen, da die Druckerpresse der Zeitschrift „Naturwissenschaften“ einem Bombenangriff zum Opfer fiel, und 1945 wurden ihr – als deutscher Staatsbürgerin – nun aus diesem Grund alle möglichen Steine in den Weg gelegt. So ließ sie sich in einem Lieferwagen in die Universität schmuggeln, um dort weiter forschen zu können.
Zu dieser Zeit hatte sie einen Studenten, Fritz Prior, der seine Dissertation zur Gaschromatographie machte und, da das Uni-Institut wegen Beschädigungen nach den Bombenangriffen nicht verfügbar war, bauten er und Erika Cremer am Labor der Schule, in der er da bereits unterrichtete, den Prototyp eines Gaschromatographen. Aus diesem Herrn wurde später der stellvertetende tiroler Landeshauptmann und unser aller tiroler Kulturöberster.
Dem Ende zu doch immer höher geehrt, starb Erika Cremer 1996 in Innsbruck, und 2011 hat man auch eine „Erschließungsstraße“ (wie sich „Innsbruck informiert“ ausdrückt) im westlichen Hötting nach ihr benannt. Es ist also nicht nur eine tolle Geschichte, sondern sie geht, nach holprigem Anfang, dann auch noch anständig aus. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen auch noch ein ganz besonders hervorragendes Wochenende.