„Hidden Champions vor den Vorhang“, nannte mein Autorenkollege Franz Mathis seinen Text, der vor zwei Tagen hier auf dem ALPENFEUILLETON erschien. Er wünscht sich darin mehr Aufmerksamkeit für Tirols und Österreichs Paradeunternehmen, die einen wesentlichen Teil zur Wertschöpfung in unserem Land beitragen, Arbeitsplätze schaffen und so eine der wichtigsten Säulen unseres Systems darstellen.
Ich kann nur sagen – „Chapeau, Herr Mathis! Da haben Sie recht.“ ABER.
Lieber Herr Mathis,
ihr Vergleich, der in den Text eingewoben wurde, hinkt. Und zwar so sehr, dass er meinen Blutdruck kurzfristig in die Höhe schnellen ließ. Sie stellen Unternehmen und Sportler gegenüber und spielen sie gegeneinander aus. Beim Lesen soll der Eindruck entstehen – und dadurch fast ein schlechtes Gewissen erzeugt werden – dass SportlerInnen täglich in die Höhe gejubelt werden, während Unternehmen ungewünscht hinter dem Vorhang verharren müssen und von der Gunst der Massen unberührt bleiben.
Das stimmt zum Teil. Der Sport bekommt medial überproportional viel Aufmerksamkeit. Doch die folgenden, von Ihnen verfassten Zeilen, haben mich dazu veranlasst auf den hinkenden Vergleich hinzuweisen und eine neue Sichtweise einzubringen. In Ihrem Text schreiben Sie: „Im Unterschied zu den Spitzensportlern jedoch, die von denselben Motiven getrieben sind, profitieren in der Wirtschaft direkt und indirekt auch viele andere Menschen und letztlich wir alle von solchen Leistungen.“
Diese Worte sind hart. Immerhin lassen Sie die SportlerInnen und Sportorganisationen damit wissen, dass sie in ihren Augen keinen Mehrwert für das Allgemeinwohl leisten. Und genau diese Aussage stößt mir sauer auf, weil ich mit diesem Weltbild – in meiner Funktion als leitender Funktionär eines Profifußballvereins – tagtäglich konfrontiert bin.
Ja, der Sport leistet auf der emotionalen Ebene viel für die Menschen. Gänsehaut zieht auf, wenn ich daran denke, wie ein älterer Herr unserem ehemaligen Präsidenten, mitten auf der Straße in die Arme fiel und sich unter Tränen für dessen Einsatz bedankte. Seine Frau sei ein Pflegefall und er würde sich seit Jahren allein um sie kümmern. Die einzigen 90 Minuten, die nur ihm gehören, seien jene im Fußballstadion. 90 Minuten, in denen er den Alltag vergessen und Kraft tanken könne. Solche Berichte zeigen mir den Wert unserer Arbeit und verleihen mir die Energie und Leidenschaft, die dafür nötig ist.
Doch der Sport leistet nicht nur in emotionaler, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Unser Fußballverein hatte seit dem Konkurs des FC Tirol wahrlich mit sich selbst zu kämpfen und musste zwanzig harte Jahre überstehen. Das kostete Sympathiepunkte. In der Öffentlichkeit ist der Verein vielerorts als Subventionsverein verschrien, den Jahr für Jahr die Politik retten müsse. Dass die geleisteten Steuern, die Kostenrefundierungen und öffentlichen Unterstützungen (für die Jugend, den Frauenfußball und die Infrastrukturkosten) übertreffen und der Verein damit Nettozahler ist, der nebenbei über 150 Menschen ein Gehalt oder eine Aufwandsentschädigung ermöglicht, wird leider oft vergessen. Noch öfter ignoriert.
Vom Fußballverein zum Sportunternehmen. So haben wir vor zwei Jahren unsere Mission getauft. Weil in den Köpfen der Menschen endlich ankommen sollte, dass Fußballvereine und viele andere Sportorganisationen, selbst Einzelsportler, kleine bis mittelständische, in manchen Ausnahmen sogar große Unternehmen sind, die in ihre jeweilige Region und in die Jugend investieren, einen wertvollen Beitrag zur Aus- und Weiterbildung leisten, Arbeitsplätze schaffen und wichtiger Teil der Wertschöpfungskette sind. Bejubelt wird die Spitze – die siegreichen Athleten und Organisationen. Der große Apparat dahinter verharrt hinter dem Vorhang und entzieht sich dem Beifall – wahre Hidden Champions eben.
Lieber Herr Mathis, Ihre Analysen und Darstellungen, die ich in den letzten Wochen hier auf dem ALPENFEUILLETON lesen durfte, haben mich begeistert. Vielleicht ist mein Text ja ein Anstoß, mit Sicherheit aber ein leiser Wunsch, dass Sie sich die Wertschöpfung österreichischer Sportorganisationen genauer ansehen und uns an Ihren Rechercheergebnissen teilhaben lassen. Ohne Industrie kein Tourismus, haben sie geschrieben. Für den Sport gelten ähnliche Aussagen.
PS: Ich bin mir übrigens recht sicher, dass manche Unternehmen froh darüber sind, dass sie hinter dem Vorhang, ganz in Ruhe und ungestört arbeiten können. Aber das ist eine andere Geschichte.