Liebe Scousers!
Ich weiß, ihr wollt euch von mir, einem langjährigen Manchester United Fan, nichts sagen lassen. Und doch stehe ich heute vor euch, die weiße Fahne ausgerollt. Ich komme in Frieden. Wisst ihr, das Abdanken eines Steven Gerrard betrifft uns ja irgendwie gleichermaßen. Denn die Intensität der Gefühle die wir alle für Stevie G. hegen, ist womöglich die Selbe – nur eben der Inhalt dieser Emotionen ist verschieden. Aber heißt es nicht, dass Hass und Liebe sowieso ganz, ganz nahe beieinander liegen? So nahe wie Sieg und Niederlage? Manchester und Liverpool? Erster und zweiter Platz?
Meine Oma sagt immer: dieser Gerrard, der ist schon ein feiner Kerl! Ob er das ist oder nicht, bleibt dem Jüngsten Fußballgericht überlassen — aber nicht mir. Nein. Ich will euch lediglich ein paar Dinge vom Abschied nehmen erzählen. Erinnert ihr euch an den achten Mai 2013? Ich mich schon. Es war am Vormittag, während einer Vorlesung über Amerikanische Literatur in den frühen Kolonien, als ich wegen eines SMS schlagartig durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart katapultiert wurde. Denn da stand #thankyousiralex.
Sir Alex Ferguson, der Manchester United länger trainierte, als ich auf der Welt bin, hatte an diesem Tag seinen Rücktritt als Trainer bekanntgegeben. Er war ein Held, ein Gigant, eine Legende. Ich kann mir vorstellen, dass es euch mit der Ankündigung von Gerrards Abschied jetzt ähnlich geht, wie mir damals. Woche für Woche ist da jemand, der uns Rückhalt gibt, auf den wir uns verlassen können. Und plötzlich wird er Geschichte?
Ich sage euch, fürchtet euch nicht! Sucht nicht nach einem Nachfolger, probiert nicht krampfhaft, die entstandene Lücke zu schließen. Ihr wisst ja, was letzte Saison am Old Trafford dabei herauskam. Akzeptiert es einfach! Lasst ihn ziehen wohin seine Geldtasche ihn trägt. Seid nicht böse. Er hat euch ewige Liebe und Treue geschworen, was wollt ihr mehr? Früher oder später musste der Abschied doch kommen. Und wer weiß es besser als ihr: wenn ihr durch einen Sturm geht, haltet euren Kopf hoch und habt keine Angst vor der Dunkelheit!
Oder lasst mich, mit meiner weißen Fahne, diese Dunkelheit ein bisschen erhellen. Vielleicht ist es einfach an der Zeit, nach vorne zu schauen? Ich weiß schon — euer Verein ist geprägt von einer langen Tradition, einer tragischen Geschichte. Aber möglicherweise ist jetzt die Zeit reif, um aufzuhören, ständig die Vergangenheit zu besingen? Blickt doch auch einmal in die Zukunft! Nehmt Gerrards Abschied als Neuanfang und lasst die Melancholie endlich hinter euch.
Bis bald an der Anfield Road!
Alles Liebe,
eure Hannah