Es ist kaum zu glauben, aber wahr: Die Tatsache, dass der Online-Duden nun die weiblichen Formen gleichberechtigt neben den männlichen auflistet, also Ärztin, Beamtin und Vergleichbares als eigenes Wort anführt, wurde zum öffentlichen Skandal hochgespielt. Sogar Linguistinnen, welche vermutlich nicht als Linguist bezeichnet werden möchten, verwehrten sich heftig gegen die ihrer Meinung nach stattfindende Abschaffung des generischen Maskulinums (i.e. der männlichen als geschlechterübergreifender allgemeiner Bezeichnung).
Liebe Leserin, wäre das so schlimm? (Falls Sie nun ein Mann sind, fühlen Sie sich hier richtig angesprochen?) Es geht der Dudenredaktion ja nur um die gleichberechtigte Sichtbarmachung von Frauen in der Öffentlichkeit, das benötigt ein bisschen mehr Raum, was online aber keinen Kostenfaktor darstellt, als was soll´s? Sprache ist immer ein Spiegel der Gesellschaft und der Machtverhältnisse und manchmal eben auch der Darstellung eines Willens zur Veränderung. Wir sind wegen solcher Vorstöße empfindlich gegen das N-Wort und manche Logos geworden, sprechen inzwischen etwas unsicher von Schwarzen, Dunkelhäutigen oder Afro-Österreichern/-Deutschen, … und es wird ein Weilchen dauern, bis sich die für alle richtige Bezeichnung herausgebildet hat.
Aber soll man Sprach- und Bewusstseinsänderungen, nur weil sie anfangs für manche Sprecher ungewohnt sind, gar nicht erst anpeilen? In offiziellen Dokumenten und in Stellenausschreibungen haben wir uns an die männlich/weibliche Querstrich/Sternchen/etc. Form schon gewöhnt, auch wenn es für manche allzu gezwungen wirkt (vor allem für Männer, die sich aber bei einer Ausschreibung für eine Abteilungsleiterin vielleicht auch nicht so wohl fühlen würden), manchmal ist es – besonders in der gesprochenen Sprache — auch einfach unrhythmisch und mühsam und wird dann eben unterlassen. Äußerst komisch finde ich es allerdings, wenn manche Herren bei offiziellen Ansprachen, sich in ein verschlucktes „Teilnehmer und Teilnehmer“ verirren, weil sie das -innen nicht über die Lippen bringen. Sigmund Freud lässt grüßen. Überdies gibt es auch echten sprachlichen Unsinn, etwa wenn auf Schulzeugnissen von der Lehrperson die Unterschrift als Klassenvorstand/ Klassenvorständin verlangt wird. Das schmerzt, ganz geschlechtsneutral. Es geht wirklich nicht darum, jedem Substantiv krampfhaft irgendeines in weiblicher Formgegenüberzustellen, wenn die Sprache das nicht hergibt.
Auch war die Umdichtung unserer Bundeshymne ein riesiger sprachlicher Fauxpas, den ich bis ins Parlament hinauf monierte, was aber natürlich niemanden kümmerte. „Heimat großer Töchter und Söhne“ passt rhythmisch nicht auf die Melodie, weshalb das „und“ notwendigerweise verschluckt wird, sodass ein possessiver Genitiv „großer Töchter Söhne“ entsteht und damit wieder nur die Söhne (von Töchtern) besungen werden. Wenn man schon was ändern wollte, hätte man besser die Heimat weggelassen: Große Töchter, große Söhne / Volk begnadet für das Schöne… Das ließe sich wenigstens flüssig intonieren. Aber Parlamentarier sind offenbar trotz bester Absichten und häufigen Mitbrummens der Hymne nicht versiert genug, um solche Dinge in die Hand zu nehmen.
Oder ein anderer skurriler Meilenstein in der sprachlichen Gendering-Historie: Vor gar nicht so vielen Jahren getraute sich Frau Klasnic noch nicht, sich Landeshauptfrau zu nennen, sondern wünschte als Frau Landeshauptmann tituliert werden. Oder wollte sie sich in damaliger Ermangelung des Sternchens womöglich outen?
Andererseits erwies man sich bei manchen männlichen Bezeichnungen, deren weibliches Pendant irgendwie nicht gut genug erschien, als durchaus findig: So wurde aus der Chefsekretärin nicht das Vorzimmermännlein oder auch nur der Chefsekretär, sondern ein Büroleiter, statt Krankenbruder wurde Mann zum Krankenpfleger erhoben und die Kindergartentante mutierte in männlicher Form nicht zum Onkel, sondern zum Kindergartenpädagogen. Eigenartig bleibt, dass also in diese Richtung die Sprachmöglichkeiten durchaus kreativ genutzt wurden, was dann ja auch den Frauen in diesen Sparten zugutekam. Man sieht, sprachliche Gender-Not kann durchaus die Wertschätzung mancher Berufe befördern. Für beide Geschlechter.
Andersrum hingegen kommt Widerstand statt Ideenreichtum auf, wenn Frau sich mit der allgemeinen Bezeichnung in der männlichen Form einmal nicht zufriedengeben mag. Im Deutschen sollen Frauen, wenn man dem Duden-Shitstorm Glauben schenkt, lieber auch weiterhin möglichst unsichtbar bleiben — hinter der Sprachburka des generischen Maskulinums schamhaft versteckt.
So wird die sehr schlichte Tatsache, dass der online-Duden nun die weibliche der männlichen Form eigenständig zur Seite stellt (ohne dabei die verallgemeinernde maskuline Form gleich abzuschaffen, wohlgemerkt!) von einigen Sprachwächtern (sogar einzelnen -Innen) massiv angegriffen. Es gibt dazu schon eine Petition „mit der Forderung an die Duden-Redaktion, auf Gender-Experimente zu verzichten, die Sprach-Revolution abzusagen und zu den bewährten Regeln der Grammatik zurückzukehren.“ Der gesamte, ziemlich hasserfüllte und die zuständige Duden-Redakteurin u.a. als „werte Dame“ abwertende Text ist hier nachzulesen. Man möge aber bitte unbedingt auch den Urheber googeln, welcher seinen Blog als „konservativ, christlich und abendländisch“ **definiert. Da wird dann klar, aus welcher Ecke die vehementesten Sprachhüter (meist ohne -Innen) kommen.
Wer sich denen aber trotzdem anschließen und weiter die Frauen möglichst unsichtbar halten will, möge die christlich-abendländische Pro-Sprachburka-Petition unterzeichnen. Die (Sprach-)Geschichte wird hoffentlich dem Duden rechtgeben.