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Vom Lügen und Schummeln 1 – Politische Gefechtstechniken

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Wie aus der Überschrift ersichtlich, werden noch mehrere Texte zum Thema Kunst der Lüge folgen. Hierzulande spricht man ja lieber von Schummeln. Das klingt sympathisch und entspricht mehr unserem Volkscharakter, der Begriffe wie Lüge und Falschaussage, die ja möglicherweise irgendwelche Konsequenzen nach sich ziehen würden, tunlichst vermeidet.

Dass es politischen Populisten inhärent ist zu lügen und Fakten zu Fakes zu verdrehen, um die eigene Macht vermittels Worten zu festigen, ist eine altbekannte Tatsache. Da gibt es die grobe Klinge der Lüge (besonders bei Diktatoren und solchen, die es werden wollen, beliebt und im Endeffekt immer tödlich, je nach Nationalität Putin´sche, Trump´sche oder Kickel´sche Klinge genannt) und die feinere Machart, neuerdings als Türkise Klinge bezeichnet (das Kampfmittel der Wahl für lupenreine Demokraten, jedoch fast noch gefährlicher, da vom Gegner schlecht erkennbar und daher schwer zu parieren).

Wenn also Verhandlungen in Brüssel von unserem Kanzler als Basar bezeichnet werden, ist das die feine türkise Klinge, denn es ist keinesfalls gelogen und deshalb auch nicht justiziabel. In Österreich fällt sowas unter den Begriff des Schummelns und dient landläufig sogar als Beweis außerordentlicher Schlauheit. Keiner kann dem Begriff widersprechen, denn am Basar wird ja, wie in der EU, wirklich verhandelt, und es steht jedem frei zu kaufen oder auch nicht. Bloß ist das Wort traditionell mit Assoziationen (Islam! Betrug! Terror! Türkenbelagerung!) verbunden, die einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen. Und wenn das Wort oft genug in den Medien wiederholt wird, zweifelt der Österreicher nicht nur an der Fairness der Impfmittelverteilung, sondern beginnt zudem bereits die nächste Flüchtlingswelle unter Mithilfe Brüssels heranrollen zu sehen.Das nennt man dann die Türkise Doppelklinge. Die erreicht immer irgendwie ihr Ziel.

Besonders in diversen Gerichtsverfahren und Untersuchungsausschüssen ist die Türkise Klinge sehr beliebt. Da besaß jemand niemals ein Notebook, oh nein, es waren vielleicht vier Laptops und ein Tablet und überdies gehört eines der Geräte zur Hälfte der Ehefrau, wodurch die Frage nach dem Besitz eines Notebooks von jedem wahrheitsliebenden Menschen natürlich negativ zu beantworten war.

Und der Innenminister verkündete vergangene Woche die Frohbotschaft, dass im Vorjahr mehr als 5000 unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Österreich aufgenommen worden seien, obwohl es magere 186 Neuankömmlinge waren und die Aufnahme der restlichen paar tausend – übrigens gar nicht unbegleiteten — Jugendlichen darin bestand, dass ihnen, nachdem sie schon lange im Land oder gar hier geboren waren, gnädig ein Aufenthaltstitel gewährt wurde. Das Wort unbegleitet hatte der Minister leider in der Anfrage überhört, aber der Rest entsprach völlig den Tatsachen. Erst als eine weitere Ministerin dann, nicht so durchtrainiert in dieser Wortgefechtstechnik, mit der nun tatsächlich falschen Meldung herausplatzte, dass über 5000 KMUs letztes Jahr nach Österreich gekommen wären, wurde die Zahl berichtigt. Daraufhin sprach der Innenminister von einem Versprecher.

Ich erinnere mich an ähnliche Spiegelfechtereien, die man in Österreich schon als Kind lernte, um anschließend bei der schulisch verordneten Beichte den Punkt „Du sollst nicht lügen“ elegant übergehen zu können. Die katholische Kirche hat also durchaus ihre Meriten, was die Schulung im Schummeln anlangt. Politiker können später das Fechten mit Doublespeak in den Parteiakademien und den dazugehörigen Verbindungen noch professionalisieren. Kein Wunder also, dass vor allem jene es am besten beherrschen, die zuerst durch die Schule des Katholizismus und diverser, am besten schlagender, Verbindungen gegangen sind. Wir armen unbedarften Bürger dagegen sind schutz- und wehrlos allen politischen Haudegen ausgeliefert und finden uns mit Versprechen, Versprechern und Versagern aus allen Richtungen geschlagen.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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