Gerhard hat einen guten Job in einem Architekturbüro. Gerhard ist gesund. Seine Freunde schätzen ihn für seinen Humor und dass er bis zu drei Bier hintereinander exen kann, ohne danach anders dreinzuschauen. Seine Frau liebt ihn wie am Tag ihrer Hochzeit. Die beiden Töchter sind Einserschülerinnen und äußerst begabte Volleyballerinnen.
Vor einem Jahr, als all das begann, regte sich in Gerhard ein Trotz, der ihn kämpferisch die Faust ballen ließ. Bloß nicht verzweifeln. Gemeinsam schaffen wir das. Aufmerksam verfolgte Gerhard die Nachrichten. Tag für Tag. Woche für Woche. Er informierte seine Eltern und Freunde, besorgte als einer der ersten einen Mundnasenschutz für seine Familie. Mindestabstand. Händewaschen. Maske tragen. Regeln, die zu Automatismen wurden.
Ein Jahr später ist die Faust erschlafft. Fernseher und Radio stehen still. Die Zeitung modert im Altpapier. Gerhard badet viel. Wasser hilft. Wenn man kurz untertaucht, betritt man eine andere Welt. Unter Wasser fühlt sich normal an. Zeiten ändern sich.
Gestern kam Anna, die jüngere Tochter, ins Badezimmer, als Gerhard gerade in der Wanne lag. Papa, ich bin müde. So unfassbar müde. Darf ich mit dir untertauchen? Nur ganz kurz?