Im Home-Office reicht der Weg meist nur bis zur eigenen Haustür. Eine Tatsache, die so mancher CEO eines Unternehmens bemängelt. Denn mit der Verkürzung der gegangenen Wege reduziere sich auch zugleich der Denkweg. Denn die vermeintlich große und bedeutende Welt des firmeninternen Austauschs, auch Meeting genannt, lässt sich neuerdings bequem etwa per Zoom nach Hause holen.
Damit fällt die Ausschließlichkeit solcher Zusammenkünfte flach und tritt in einen Zustand der Gleich-Gültigkeit ein. Der Geschirrspüler, leise im Hintergrund surrend, hat die gleiche Bedeutung wie der Austausch mit Chef und Kollegen. Piepst er und signalisiert damit, dass er fertig gewaschen hat, ist der Knopf, um die Kamera auszuschalten, nur allzu nah.
So bringt das Home-Office nicht nur eine Gleich-Gültigkeit, sondern auch eine Entwertung der einst so wichtigen kulturellen und zwischenmenschlichen Codes mit sich. Kleidung ist weniger wichtig, das korrekte Grüßen am Gang unbedeutend und auch die sonst vielbeschworene Corporate-Identity ist weit ins Abseits gedrängt.
Die Folgen sind nicht zu unterschätzen. Einst, als Universitäten auf Codes, etwa Talare, adäquate Kleidung und Traditionen verzichteten, waren die Universitäten bald zu alltäglichen und fast schon banalen Orten geworden. Damit einher ging, weil der Universität durch ihre Banalisierung Trivialisierung kein besonderer Wert mehr zugemessen wurde, dass bald Wände beschmiert und Orte mit fragwürdigen studentischen Konzepten okkupiert waren.
Home-Office ist in diesem Licht zumindest ambivalent. Zu einen entzieht sich das arbeitende und schaffende Individuum den Blicken und den Erwartungshaltungen eines Unternehmens und eines Unternehmens. Damit einher geht auch eine gewisse Freiheit. Ähnlich wie an der Universität wird es dann möglich, sich eigene Räume zu erobern – seien sie imaginär oder real. Räume zahlen, das Verhalten in ihnen definiert das eigene Tun und wie man es tut.
In dieser Einforderung von Raum und ureigener Arbeitskultur des Einzelnen liegt die Gefahr der Vereinzelung und Fragmentierung. Nicht nur der womöglich fehlende Austausch in Firmen zwischen Tür und Angel zwischen Kolleginnen und Kollegen bleibt aus, sondern auch das kollektive Verhalten, das sich über bewusste und zum Teil auch unbewusste Nachahmung und Identifikation verinnerlicht, schwindet und wird der Gleich-Gültigkeit geopfert, die zuhause vor dem Laptop um sich greift.
Fakt ist jedenfalls: Die Unternehmenskultur und die Arbeitswelt werden sich durch das Home-Office verändern. In welcher Richtung genau, wird sich noch zeigen. Es gilt jedenfalls wieder, den Einzelnen in größere Zusammenhänge zu bringen und Kollektive, die auch temporär sein können, zu generieren. Das gilt nicht nur für Angestellte, sondern für Arbeitende und Schaffende insgesamt.