Man freut sich, einander auf Zoom endlich einmal wieder zu sehen, die Pandemie hat das Vereinsleben viel zu lange lahmgelegt, doch dann fällt schon nach dem ersten Einander-Zuwinken beim einen immer mal wieder der Ton aus, beim anderen verhängt das Bild. Die Kinder! Alle gleichzeitig im WLAN! Nichts zu machen! Trotzdem ist es schön, sich nach einigen Mühen wenigstens blind mit den Namenskürzeln verständigen zu können.
Der Vereinsvorstand, der extra ein Zoom-Abo für diesen Zweck abgeschlossen hat (13,99 Euro monatlich!), verliest die Tagesordnung und man schreitet zu Punkt 1, der Planung des nächsten Halbjahres, nachdem man offen angesprochen hat, wie schwierig das alles in einer Pandemie ist und was in letzter Zeit im Verein nicht optimal gelaufen ist und unbedingt verbessert gehört. Da schaltet sich der Mitarbeiter hinter dem Kürzel KONSTRUKTIV21 ein und schlägt vor, was alles nun wirklich unbedingt einmal zu tun sei. Schweigen hinter den anderen dunklen Feldern. Man müsse endlich aktiver werden, meint KONSTRUKTIV21, und man müsse vor allem –dringend! — jüngere Mitglieder gewinnen – sorry, falls da jemand beleidigt sei –, die wieder Schwung in die Sache bringen, man müsse Verschiedenstes jetzt endlich angehen, nicht immer nur davon reden! Er hätte da auch schon Ideen … Ja, es sei höchst an der Zeit, dass irgendeiner vom Vorstand endlich …!
Schweigen hinter den dunklen Feldern. Niemand meldet sich dazu. Kann sein, manche nicken, doch das sieht ja keiner. Wahrscheinlich will bloß wieder einmal keiner dieser man sein, der sich die Arbeit für all das antut. Erst recht nicht zu Coronazeiten und nicht neben Berufs- und Familienstress. Der Obmann geht einfach in der Tagesordnung weiter.
Als nach einiger Zeit immer noch keine Reaktion erfolgt ist, meldet sich KONSTRUKTIV21 neuerlich zu Wort und verkündet — diesmal höchst erbost –, dass ihm die Mitarbeit im Verein so, nein eigentlich schon seit langem, keinen Spaß mehr mache und er jetzt aussteigen werde, weil alle ja doch immer nur herumsudern, keiner auf konstruktive Vorschläge eingeht! Kein Wunder, dass dem Verein die Mitglieder abhandenkommen!
Immer noch Schweigen hinter den Namenskürzeln. Vielleicht denkt jemand höflichkeitshalber: „Oje. Wirklich?“, sagt es aber nicht. Man hört jedenfalls kein Wort des Bedauerns. KONSTRUKTIV21 schweigt nun ebenfalls. Wartet noch ein Weilchen auf Widerspruch, zumindest Eingehen auf zumindest eine seiner vielen guten Ideen. Nichts. Das hartnäckige Schweigen bestätigt ihm, als dem aktivsten, ja einzigen!, Vordenker der Gruppe nun endgültig, dass er in diesen Verein nie hineingepasst hat. Er wurde nie wirklich wertgeschätzt. Die planen auch jetzt einfach ohne ihn weiter, den immer gleichen Alltagskram, Tagesordnungspunkte 2 und 3, kein Wort darüber, dass sie seine Inputs in Zukunft schmerzlich vermissen werden und vor allem die gute Stimmung, die er immer eingebracht hat …!
Stattdessen wird über die Neuaufstellung des Vorstands in zwei Monaten debattiert und wie man, sobald man sich dann hoffentlich Corona-frei wieder persönlich treffen könne, neue Mitglieder — am besten beim Pensionistenverband — anwerben könnte, denn die hätten ja als einzige noch Zeit für Vereinsarbeit. Obwohl – wenn dann ein neuerlicher Lockdown kommt, man weiß ja nie, dann haben die älteren Leute wieder ihre Probleme mit virtuellen Treffen wie diesem. Da muss man dann ständig hin und her telefonieren, um zu erklären, wo sie am PC drauftippen müssen, damit man sie sieht und hört, oder man kriegt wieder nicht die nötigen Anwesenden für die Vollversammlung zusammen, weil so viele das technisch nicht schaffen …
KONSTRUKTIV21 gibt frustriert auf undklickt auf Meeting verlassen. Hat nicht bemerkt, dass sein Mikro nicht aktiviert war. Allerdings bemerken die anderen auch erst nach zehn Minuten, dass eines der dunklen Vierecke verschwunden ist.