Innsbruck hat einen. Kufstein neuerdings auch. Seither gibt es Diskussionen über den Regenbogen-Zebrastreifen. Wahlweise geht mit dessen Existenz Freude einher, dass dadurch der LGBTIQ-Community ein öffentlich gut sichtbares Zeichen gesetzt wird, trifft er auf völlige Ablehnung oder, gar nicht so selten, sorgt er für Jubel angesichts der optischen Bunter-Werdung des öffentlichen Raumes und Stadtbildes.
Dass es mit letzterer Position nicht getan ist, beweisen die Begleitveranstaltungen rund um die Zebrastreifen. Meist sind es Drag-Queens, die zur Einweihung ebenjener über ebenjene medienwirksam geschickt werden. Das ist nicht nur ein Zeichen der Diversität und der Toleranz, sondern auch schon gleichermaßen die Enthüllung der Agenda des dahinterstehenden theoretischen Überbaus.
Denn diese Auswahl ist kein Zufall. Drag-Queens sind biologische Männer, die mit Frauenkleidung und viel Schminke klassische Geschlechterrollen verwischen und zugleich ausweiten wollen. Ein schwuler oder auch heterosexueller Mann darf damit sehr wohl Gefallen daran finden, temporär in Frauenrollen zu schlüpfen und im gleichen Augenblick damit, mit der Überspitzung und Zuspitzung von Weiblichkeitszuschreibungen und -klischees, auf die kulturelle Konstruktion von Geschlechterrollen hinweisen.
Damit ist die theoretische Grundannahme benannt, die in letzter Konsequenz zu LGBTIQ-freundlichen Zebrastreifen führt. Geschlechterrollen sind, so die Annahme, konstruiert, verhandelbar und sogar in dem Moment erst wirklich lebbar und auslebbar, in dem ihnen Raum und Sprache gegeben wird. Indem ich als Mann kulturellen Raum einfordere, auch Frauenkleider tragen zu dürfen und darüber einen Diskurs eröffne und öffentlich sichtbare Symbolik etabliere, bin ich Teil der Erschaffung von neuen Geschlechterrollen-Möglichkeitsträumen.
Dem zugrunde liegt eine Unruhe und Skepsis eindeutigen Begriffen und Kategorien gegenüber. Die Gender-Theorie im Hintergrund, gespeist von postmodernem Denken, ist überzeugt, dass Sprache Realität schafft und erschafft und somit auch die sprachenverwandte Symbolik eines Regenbogen-Zebrastreifens Identitäts- und Identifikationsmöglichkeiten hervorbringt. Damit ist er weit mehr als nur ein Solidaritäts-Zeichen, das im Pride-Monat womöglich besonders viel Aufmerksamkeit bekommt. Er ist ein Mosaikstein in einer gesamtgesellschaftlichen Bemühung.
Es geht also letzten Endes nicht nur darum, ein Zeichen der Toleranz zu setzen, sondern theoretische Annahmen Schritt für Schritt in der Praxis des tagtäglichen Denkens und Handels zu verankern. Der Regenbogen-Zebrastreifen ist nicht nur Stadtverschönerung, sondern eigentlich handfeste Agitation auf der von postmodernen Denkbewegungen so geschätzten Symbol- und Zeichen-Ebene.