Felix Kozubek (c) Martin Senfter

Nieder mit den Verboten!

Naiv gedacht, aber wunderschön.
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Meine Frau und ich bekommen in drei Wochen Nachwuchs. Er hört auf den Namen Frizzi, ist weiblich, am Tag der Ankunft zwölf Wochen alt und ein Lagotto Romagnolo. Schöne Sache, werden Sie nun sagen. Zumindest wenn Sie ein Hundefreund sind. Ja, das stimmt. Hunde wirbeln das Qi auf, wissen die Chinesen. Wirklich eine schöne Sache.

Doch so ein Hund bringt nicht nur Positives mit sich. Man sieht sich unvermeidbar auch mit negativen Konsequenzen konfrontiert. Während Menschen in Geschäften und Lokalen herzlich willkommen sind, sind es Hunde eher selten. Seit wir Nachwuchs erwarten, hat sich mein Blick dafür geschärft. Schuhgeschäft: Wir müssen draußen bleiben. Lebensmittelladen: Dog-„Online“-Station (Anm. Wortwitz vor dem Geschäft). In Wien dürften Hunde nicht einmal über den Maria-Theresien-Platz laufen, der sich zwischen Naturhistorischem und Kunsthistorischem Museum befindet.

Beim Heurigen nahe der Grinzinger Hauptstraße entlud sich unlängst mein Frust. Die Schimpftirade endete mit der bestürzten Erkenntnis, dass wir Menschen „ein grausames Viech“ seien und dem frommen Wunsch, dass es statt Verbotstaferl doch Erlaubttaferl geben möge. Mit jedem Schluck „Gemischter Satz“ kam mir diese Idee klüger vor. Eine Welt des Erlaubten, statt einer Welt der Verbote.

Sie dürfen gerne leise beten. Statt. Ruhe. Am Eingang zur Kirche.

Sie dürfen mit dem Rauchen aufhören. Statt. Rauchen verboten. Im Krankenhaus.

Sie dürfen flanieren und genießen. Statt. Ballspielen verboten. Im Park.

Sie dürfen Zeitung lesen. Statt. Essen verboten. In der Straßenbahn.

Sie dürfen bis zu 30 km/h fahren. Statt. Über 30 km/h verboten. Auf der Straße.

Sie dürfen die Natur genießen und ihren Müll wieder mitnehmen. Statt. Müll wegewerfen verboten. Am Wanderweg.

Freundlich sein erlaubt! Mit dem Sitznachbarn reden erlaubt! Die Oper in vollen Zügen genießen erlaubt! Anderen einen guten Morgen wünschen erlaubt! Träumen erlaubt! Sich täglich weiterentwickeln erlaubt! Fehler machen erlaubt! Für sich selbst Zeit nehmen erlaubt! Freunde treffen erlaubt! Vor Corona Respekt haben erlaubt! Corona-Maßnahmen kritisch sehen, andere aber nicht gefährden erlaubt! Anderer Meinung sein, das Gegenüber respektieren und verstehen probieren erlaubt!

Eine Welt des Erlaubten. Naiv gedacht. Aber einfach schön.

Sie lasen soeben einen weiteren Text der Serie „Naiv gedacht“.

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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