Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle die österreichische Schriftstellerin Lili Körber vorgestellt. Da mir wirklich daran gelegen ist, ihr wieder ein bisschen mehr Beachtung zu verschaffen, kann’s mit einem Artikel allein nicht getan sein. Ich möchte daher nochmals (und wahrscheinlich noch mehrmals) auf diese bemerkenswerte Österreicherin zurückkommen.
Lili Körber, Die Ehe der Ruth Gompertz
Im Jänner 1933 befand sich Lili Körber zufällig in Berlin. Damit wurde sie zur Zeugin der Machtergreifung Hitlers – wahrscheinlich dem Schlüsselereignis der neueren deutschen Geschichte. Das wusste sie damals aber noch nicht, konnte es höchstens erahnen. Wieder zurück in Wien, entschloss sie sich, das Erlebte und Beobachtete in literarische Form zu gießen. Das Ergebnis war ein Roman, der ursprünglich unter dem Titel Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland erschien.
Vordergründig handelt die Geschichte von der jungen jüdischen, assimilierten Schauspielerin Ruth Gompertz und ihrer Ehe mit dem Deutschen Ingenieur Arnold Borchardt. Sie umspannt den Zeitraum von Sommer 1932 bis April 1933. Schleichend zunächst breitet sich der Nationalsozialismus aus, wie eine zähflüssige Masse in einem Horrorfilm kriecht die Gesinnung heran, langsam aber stetig, bis sie schließlich ins Theater gelangt, an dem Ruth Gompertz wirkt, zuletzt sogar bis in den privaten Bereich, in die Ehe der beiden jungen Leute.
Unterstützt wird die Erzählung durch wörtlich wiedergegebene Reden und Dokumente – ohne dass dies je störend empfunden würde, das Dokumentarische verschmilzt mit dem Fiktionalen, nicht zuletzt deshalb, weil die Charaktere die Wirklichkeit ja genau so erleben. Die Art, wie in den Medien Berichtetes unser aller Leben beeinflusst, bis es praktisch zum Erlebten wird, die kennen wir heute genau so. Wie viel enger musste diese Wechselbeziehung in einer Zeit sein, da sich eine derart drastische Umwälzung anbahnte und dann vollzog!
Der Nationalsozialismus greift also um sich, teils entpuppen sich Mitmenschen plötzlich als überzeugte Nazis, teils handelt es sich um Opportunisten. Die Diskriminierung nimmt immer konkretere Formen an, Konsequenzen werden spürbar. In ihrem Beruf ist Ruth Gompertz nicht mehr gefragt. Ihr Mann entpuppt sich mit jedem Tag mehr als Opportunist, Ruth fühlt sich überflüssig, als Belastung.
Wie der Roman ausgeht, sei natürlich nicht verraten. Ich hab’ mich auch bemüht, nicht allzu viel vom Inhalt vorwegzunehmen, denn der Leser, die Leserin sollen das Buch ja selber lesen! Ich hab’ jedenfalls vor, mich weiterhin mit Lili Körber zu beschäftigen und eventuell auch über sie zu schreiben. Watch this space!
Lili Körber, Die Ehe der Ruth Gompertz (Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1988). Erstmals erschienen 1934 unter dem Titel Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland.