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Zitate für Corona-Genervte

4 Minuten Lesedauer

Marie Luise Kaschnitz´ „Am Strande“ ließe sich neu lesen und könnte den Menschen, die laufend von Neuem auf Pandemie-Wellen und ungeliebte, sich immer wieder ändernde Gegenmaßnahmen reagieren müssen, vielleicht ein wenig Trost spenden:

Heute sah ich wieder dich am Strand
Schaum der Wellen dir zu Füßen trieb
Mit dem Finger grubst du in den Sand
Zeichen ein, von denen keines blieb.

Ganz versunken warst du in dein Spiel
Mit der ewigen Vergänglichkeit
Welle kam und Stern und Kreis zerfiel
Welle ging und du warst neu bereit.

(…)

 Oder halten wir uns besser an Albert Camus? Er meinte, dass Sisyphos „der weiseste und klügste unter den Sterblichen“ gewesen sei, weil er „eine gewisse Leichtfertigkeit im Umgang mit den Göttern“ pflegte. Er erreichte nämlich mit List seine Widerauferstehung aus dem Totenreich und weigerte sich daraufhin, dahin zurückzukehren. Schließlich kriegten ihn die Götter aber doch klein und zur Strafe wurde ihm auferlegt, in ewiger Wiederholung einen Felsblock den Berg hinauf zu wälzen. Und doch: in den kurzen Zeitspannen, wenn er dem wieder hinabgerollten Felsblock ins Tal folgte, war er, trotz aller Qualen, frei zu denken. Und deshalb kommt Camus zum Schluss: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Vielleicht können wir also mit Camus die kurzen Zeiten zwischen den Coronawellen, im vollen Bewusstsein, dass die Quälerei nicht so bald zu Ende gehen wird, glücklich und denkend genießen?

Eher wissenschaftliche Gemüter könnten sich über die unaufhörlich uns überrollenden Pandemie-Wellen mit dem Begriff des trial and error hinwegschaukeln, welcher die Grundlage allen Lernens beinhaltet. Die Besinnung auf das biologische Evolutions-Prinzip von Versuch und Irrtumhilft uns vielleicht die Abfolge einander widersprechender Maßnahmen besser zu ertragen. Wohlgemerkt: Irrtum, nicht Wahrheitsfindung. Unser Umgang mit Corona ist, weil wir uns in einem langen Lern- und Anpassungsprozess befinden, natürlicherweise einmal richtiger und einmal falscher, aber nie für lange und zu hundert Prozent richtig oder falsch. Jeder Versuch, jeder Irrtum stellt neue Fragen und generiert andere — wieder nur vorläufige — Antworten, die vielleicht irgendwann eine Annäherung an eine etwas länger haltbare Wahrheit bringen werden. Samuel Beckett hat das, was uns abverlangt wird, am schönsten auf den Punkt gebracht: Ever tried, ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.“

Wer allerdings die ständig neuen Krisen und das wiederholte Hin und Her der Anti-Corona-Maßnahmen gar nicht ertragen kann, wer eine endgültige Wahrheit und eine ewig gültige Handlungsanweisung fürs Leben sucht, dem helfen weder Literatur noch Wissenschaft, und auch nicht die schönsten Zitate. Dem bleiben nur noch Religion und die Götter. Welche auch immer. Und dann muss man eben dran glauben, egal was passiert. Mit einem Gläubigen braucht man auch nicht mehr zu diskutieren, denn er ist im Besitz der letzten Wahrheit — die uns armen Zweiflern stets entflieht.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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