Rapperin und Wort-Akrobatin „SanTra“, mit bürgerlichem Namen Sandra Neuner, ist zweifellos ein Tausendsassa. Sie überrascht sich gerne selbst, entdeckt leidenschaftlich Neues, auch bei sich selbst und vor allem in ihren Taschen. Sie schleppt in ihren Jacken nämlich oftmals so einiges an Produkt-Ballast mit sich rum. „Wir sind überreizte Werbeträger, im Garten Eden“, heißt es im Track „Synthetisch“ in dieser Hinsicht programmatisch.
Der Garten Eden ist bei SanTra also nicht mehr das makellose Paradies ohne Sorgen. Es ist vielmehr das Paradies, von dem wir glauben es uns kaufen und zurechtkaufen zu können. Das „Ich“ auf ihrem Album Debütalbum „Tausendfüßler“, produziert vom Wahlwiener Beat-Zauberer Testa, ist damit auch fragil, künstlich und mit finanziellen Mitteln optimiert. Oft kritisiert SanTra zwar diese mit dem Spätkapitalismus einhergehenden Phänomene, entkommt ihnen aber selbst nicht.
Verständlich, dass sie sich in diesem Widerspruch oft dumpf fühlt, nicht mehr bewusst wahrnimmt, ihr das eigene Leben dazwischenkommt, wenn sie eigentlich wirklich empfinden und leben möchte. Es droht die Sprachlosigkeit, die „Aphasie“, dabei will sie es doch „Einfach“ nur „Sagen“. Sie will „Spielräume“ entdecken und macht sich die „Sisiphosarbeit“, diese immer wieder sowohl neu zu erschaffen als auch zu stetig zu beschützen.
Ihr Ort, an dem sie sich vor offenen und unauflösbaren Widersprüchen verstecken möchte, ist klar: In der Sprache, in der Poesie, in ihren Texten, die feine Bedeutungsnetze über eine komplexe Realität werfen um sie zur ganz eigenen Wirklichkeit werden zu lassen. Mit vielen, tausenden kleinen Schritten bewegt sie sich virtuos, hellsichtig und auf vielen Bedeutungsebenen in ihren ureigenen Konstruktionen.
Dazu klackern auf dem heute offiziell erschienenen Album „Tausendfüßler“ die Beats von Testa und die Soundflächen flirren, aufgeladen mit einer Vielzahl an musikalischen Einflüssen. Die Musik wirkt zusammen mit den Texten von Sandra Neuner, die zugleich präzise konzipiert als auch im Bewusstseinsstrom entstanden wirken, schwerelos-schwebend und oft traumwandlerisch. Wie klar von dieser Welt, schließlich wird sogar eine bekannte Tiroler Supermarktkette erwähnt, und doch schon ebenjener Welt deutlich entrückt.
Die Musik auf dem Album ist intim und doch allgemeingültig. Hochpersönlich und doch universell. Womöglich auch, weil hier das Private politisch ist und die Kapitalismuskritik von Sandra im Kern überaus scharfsichtig ist: Uns bleiben im Endeffekt nur noch einige wenige Spielräume im Privaten und im Andersraum der Sprache. Letzterer ist Garant dafür, dass wir in diesen Zeiten mehr sind als nur leere Gesichter und ebensolche Menschen, die stets und unaufhörlich nach Mehr streben.