Früher einmal, wenn es zu Hause gekracht hat, hat jenes Familienteil, das noch am besten beisammen war, die Kinder zusammengepackt und ist in den Zoo gegangen, um die Lage zu beruhigen.
Tatsächlich vergaßen die Kids schon nach einigen Tierkäfigen die Zores zu Hause und widmeten sich ausgiebig dem dargebotenen Zooleben.
Die Tiere quiekten und quakten frech aus den Gehegen, trommelten an die Brust und stöberten mit dem Gehörn durch einen Laubhaufen, dazu ließen sie aus diversen Öffnungen Laute fahren und hatten einen Plan, wie sie die Besucher in Erstaunen und Erregung versetzen konnten.
Dann kam die Pandemie und Tiere und Menschen entgleisten und fanden sich plötzlich neben der Spur stehend.
Jetzt in der Zwischenpandemie sind die Familiengefüge arg zerborsten, niemand hat mehr einen Plan, wie er den Sinn-Faden der guten alten Zeit wieder aufnehmen und weiterspinnen könnte.
Der bewährte Rat, in den Zoo zu gehen, bringt nicht viel, denn auch dort sind die Tiere schwer verstört, das Homeoffice hinter Gittern ohne Publikumskontakt hat sie schier wahnsinnig gemacht.
Jetzt ist guter Rat teuer. Soll man zuerst die Menschen reparieren, damit sie sich später um das Wohl der Tiere kümmern könnten, oder soll man zuerst die Tiere fit machen, damit diese die Menschen mental aufpäppeln und alltagstauglich machen?
Beide leiden an jenem seltsamen Syndrom, das man im Volksmund „Long-Covid ohne Covid“ nennt.
Die Inflation bewirkt, dass sich Hilfe kaum noch jemand leisten kann, dabei sind die Maßnahmen für Mensch und Tier gleich teuer. Ein ausgebildeter Tierpsychologe kostet etwa so viel wie eine erfahrene klinische Psychologin, weshalb man vielerorts an eine Kombi-Sitzung denkt.
Dabei werden Tiere und Menschen in einer Sitzung aufgezäunt und von Tier- und Menschenpsychologen zu gleichen Teilen behandelt.
Die einzelnen Module sind bewährt bei Mensch und Tier, hierbei ist es ein Vorteil, dass die Menschen in den letzten Jahrzehnten den Tieren immer ähnlicher geworden sind und umgekehrt.
Die wichtigsten fünf Module:
– Nahrungsmittel verstecken
– Posieren für Selfies
– Wettlauf, Würfeln, Basteln
– Malen nach Schimpansenart
– Ausschütten, Einräumen von Lieblingsspielzeug
Wenn nach Beendigung der Übungen die Grenzen zwischen Mensch und Tier gefallen sind, steht einem glücklichen Zusammenleben auch im kleinen Familienkreis nichts mehr im Wege.
Dort lässt sich der Tagesablauf sehr stimmig installieren, wenn man beim Frühstück mit dem Verstecken der Cornflakes beginnt, später im Bad ein Selfie macht, einen Wettlauf ins Klo hinlegt, nach Schimpansenart etwas auf den Rasierspiegel malt und schließlich die Schublade mit den Schlüsseln ausleert, um darin seinen Lieblingsschlüssel für das Auto zu suchen.
STICHPUNKT 22|38, geschrieben am 23.04. 2022