Dies ist mein 100ster Beitrag zu Alpenfeuilleton, wenn ich richtig gezählt habe. Zeit, darüber nachzudenken, was ich hier eigentlich tue.
Ich hatte nie vorher Blog- oder Pressebeiträge verfasst. Nicht einmal Leserbriefe, außer in selten dringlichen Fällen. Ich habe Geschichten erfunden, in die vielleicht das eine oder andere direkt Erlebte oder ein politisches Ärgernis oder zeitgeschichtlicher Wahnsinn mit einflossen, doch immer schön versteckt unter einer fiktiven Handlung und Kunstfiguren. Und dann kam 2020 die Idee auf, das „Alpenfeuilleton“ zu neuem Leben zu erwecken, und ich sagte spontan zu, ohne zu ahnen, was das heißt, mir jede Woche etwas Neues, Aktuelles, möglichst auch noch Originelles zur Tiroler und Welt-Lage denken zu sollen — also etwas, das nicht eh schon jeder gedacht und gesagt hat. Das war von vorneherein natürlich ein übertriebener Anspruch, doch der Versuch reizte mich. Da bot sich immerhin die Chance, jene Gedanken unterzubringen, die in keines der laufenden literarischen Projekte hineinpassten. Manchmal auch, sich Ärgernisse von der Seele zu schreiben.
Und wie fühlt es sich an nach über einem Jahr? Es ist ein bisschen wie Tagebuch-Führen, man versucht sich selbst über etwas klar zu werden, indem man es formuliert. Nur dass man sich fürs Internet mehr Mühe gibt als für rein private Notizen. Schließlich besteht die Möglichkeit, jemand könnte es zu Gesicht bekommen. Quasi: Man zieht sich ordentlich an, schminkt und frisiert sich, bevor man aus dem Haus geht, auch wenn es wahrscheinlich bloß ein Waldspaziergang wird.
Natürlich verhält sich das bei Buchveröffentlichungen auch nicht viel anders. Warum sitzt man als Schriftsteller, als Autorin überhaupt Stunden und Tage und Jahre über einem Text? Vielleicht, weil man schreibend besser denken kann? Oder aus bloßer Selbstüberschätzung? Vielleicht in der Illusion, irgendetwas in der Welt zu bewegen? Oder nur, um einen einmal gefassten Gedanken selbst nicht gleich wieder zu vergessen? Man weiß es eigentlich nicht. Man tut es einfach, es wird zur Gewohnheit, am Ende zum (Neben)Beruf, obwohl allein schon der Blick auf die Zahl der jährlichen Neuerscheinungen abschrecken müsste, siehe gerade stattfindende Frankfurter Buchmesse.
Bei einer Buchpublikation gibt es aber immerhin bei Lesungen und Rezensionen eine direkte Reaktion des Publikums. Ein paar Gesichter und Namen tauchen aus der anonymen Masse auf, für die man seine Worte aneinandergereiht hat. Andererseits hört man aber auch nach Lesungen meist nur: „Hat mir gut gefallen“, und dann kauft ein lieber Mensch dein Buch und lässt es dich signieren, um dir eine Freude zu machen, stellt es dann zuhause ins Regal oder schenkt es weiter, wenn nicht eine persönliche Widmung das verhindert. Ein Gespräch über Form und Inhalt entwickelt sich selten.
Und in der digitalen Kommunikation kennt die Welt sowieso nur noch Daumen rauf oder Daumen runter. Da muss man inzwischen froh sein, wenn ein Text überhaupt keine Reaktion auslöst, da diese meist nichtssagend, kränkend oder niveaulos ausfällt. Kaum dass hier je ein weiterführender Gedanke, ein Diskurs entsteht. Also deshalb, liebe allfällige Leser und Leserinnen des Alpenfeuilletons, dies ist keinesfalls ein Aufruf eine Antwort, ob´s euch gefällt oder nicht!
Aber was treibt den Autor, die Autorin denn nun an, Bücher oder zahllose Afeu-Beiträge zu verfassen?
Wahrscheinlich dies: Wenn man eine Flaschenpost in die Wellen wirft, ist das Schöne daran die vage Hoffnung, dass ein unbekannter Mensch irgendwann irgendwo die Flasche gerade im richtigen Moment vor seine Füße geschwemmt kriegt und damit etwas, von dem man selbst nichts ahnt, anfangen kann. Literatur ist solche Flaschenpost. (Böswillig könnte man das Wort jetzt natürlich auch anders auslegen. Ich bitte auch um Verzicht auf diesbezügliche Kommentare …)