Wer in den Alpen im Wellnessbereich unterwegs ist, wird immer wieder auf Dekorationen, Klänge und Choreographien gestoßen, die von sich aus „well“ sind.
Bis hin zum Rumpsteak, das in einem Wellnessbetrieb selbstverständlich „well done“ ist.
Eine eigene Berufssparte widmet sich diesem Kult, der sich in den Alpen durch zwei Doktrinen vom allgemeinen Weltkult unterscheidet.
„In den Alpen sind die Steine besonders steinig und das Wasser ist besonders wässrig.“
Um diese Doktrin kümmert sich eine Heerschar von Berufszweigen.
Die Berufsbezeichnungen dieser Alpen-Esoteriker sind nämlich nicht flächendeckend geschützt, sodass auch Begriffe wie Alp-Schamane, Steinaufleger, Leibschüssel-Zupfer und Wasserlasser im Umlauf sind, naturgemäß sauber gegendert, je nach Wellness-Programm mit Strichen, Punkten und Sternchen.
Manche benutzen auch ein Emoticon, das statt mit Augen mit stilisierten Genitalien ausgestattet ist.
Mit diesen Berufsbezeichnungen lassen sich die besten Geschäfte machen, denn es können Gefühle aus Bali oder Kambodscha, Geräusche aus Island oder Alaska, Gerüche aus Spitzbergen oder Kamtschatka imitiert werden, indem man einfach die Grundmaterialien Wasser und Steine alpin-streng für sich sprechen lässt.
Dem Fasching der Seele nachempfunden hängt im Eingangsbereich allerhand Wellness-Dekoration, auf den Tischen liegen wie früher Radiergummis kleine Steinchen herum, denen man zuprosten kann, ehe man die Lippen mit dem Heilwasser benetzt.
Denn es dauert keine Viertelstunde, bis du in einem solchen Hotel mit dem wahren Schatz des Betriebs in Berührung kommst.
Hinter vorgehaltener Hand wird es ausgesprochen, weil die Marke ja unter Quell-Schutz steht: „Wir haben Grander-Wasser!“
Während Zyniker behaupten, dieses Wasser wirke vor allem dann, wenn man seinen Namen leise ausspricht, erzählen Hobby-Physiker im Tonfall einer Universum-Moderation von den Kraftfeldern, die auftreten, wenn die Wassermoleküle die Augen aufmachen und sehen, wo sie sind.
Die Wassermoleküle schlummern nämlich wie Beamte vor sich hin, ehe sie über ein Magnetfeld gejagt werden, wodurch sie aufwachen und zu schäumen beginnen. In diesem Zustand sind sie Granderwasser pur und heilen alles, was sich ihnen in den Weg stellt.
Tatsächlich behaupten Wellness-Gäste schon nach zwei Tagen, dass sie wieder bestens beisammen sind und mit ihren Körpern Sachen aufführen könnten, von denen sie nicht mehr zu träumen gewagt haben.
Wahrscheinlich spielt alles eine Rolle: die Dekoration im Foyer, die Steine am Tischtuch, das Rumpsteak als well-done Flinserl zwischen den Zähnen, das schäumende Wasser im Krug.
Die wenigsten wissen, wie diese Wellness wirklich funktioniert.
In den Spülkästen der WC-Anlagen ist ein Magnet eingebaut, der aus Spülwasser Gagga-Wasser macht.
Wer die Spülung betätigt, hat schon gewonnen. Der Körper sieht das Gagga-Wasser und schickt alles hinterher, was ihn so lange gequält hat.
Dieses Wohlbefinden jetzt! Das gibt es nur in alpinen Anlagen.
STICHPUNKT 22|91, geschrieben am 28.11. 2022