Augenärzte beklagen den rasanten Anstieg von Kurzsichtigkeit. Und nicht nur sie.
Was uns die Statistik zeigt, ist nur ein Ausschnitt aus einem viel größeren Dilemma. Mangelhafte Weitsicht ist auch nicht ausschließlich auf Corona oder die weltweit rasante Verbreitung des Internets zurückzuführen, auch wenn diese Faktoren dazu beitragen mögen. Schließlich gab es zum Beispiel beides noch nicht, als man mit der EU einen Club erfand, der zwar exakte Einstiegsklauseln, aber keinerlei Ausschlussbedingungen in seinem Regelwerk beinhaltet. Und der Beitritt Österreichs, bei dem eine Brenner-Transitobergrenze beschränkt auf wenige Jahre akzeptiert wurde, zeugt auch von extremer Kurzsichtigkeit.
Auch heute noch ist es mit Voraussicht nicht weit her. Wie sonst könnten sich Wipptaler Bürgermeister über eine langjährige Sanierung der Luegbrücke derart aufregen, wo das damit einhergehende Chaos doch die einzige und letzte Chance auf ein Einlenken der Frächterlobbies in eine vernünftige Regelung am Brennerkorridor bietet?
Zu den verbreiteten Sehschwächen gehören auch die Abnahme von Vorsicht, Rücksicht und Einsicht. Letzterer Sehfehler scheint sich mit höherem Bildungsangebot sogar noch zu verstärken. Auch wenn ein Elfjähriger heute das Buchwissen eines mittelalterlichen Weltgelehrten hat, scheint sich dies bis zum Erwachsenenalter aber wieder zu verflüchtigen. Mit Schönreden und Sich-blind-Stellen versucht man sich aller Einsicht tunlichst zu entziehen, bloß um nicht handeln zu müssen oder um nicht jemanden zu verprellen, der noch weniger sieht als man selber.
So werden wir langsam aber sicher zu einer Gesellschaft der Sehbehinderten, Blinden und Blindgänger. Ich fordere deshalb in den neuen Lehrplänen: Braille-Schrift für alle!