Da arbeitet man sich mühsam ab an seinem öffentlichen Sprachgebrauch, …
… um dann im stillen Kämmerlein ungeniert in rein männlichen Formen an Indianer, Schwule und Schwarze zu denken. – So wird das natürlich nie was, und irgendwann schlägt peinlich ein Freud´scher Versprecher zu.
Allein schon, dass wir für rücksichtsvollen Sprachgebrauch auf Fremdwörter wie political correctness und wokeness ausweichen müssen, weil wir dafür noch keine eigenen Begriffe in unserer Sprache erdacht haben, spricht Bände. Für political correctness findet sich im Internet folgende deutsche Erklärung: „Political Correctness ist die strikte und penible Einhaltung und Einforderung von gesellschaftlichen und sprachlichen Normen, vor allem in Bezug auf angeblich oder tatsächlich benachteiligte Gruppen, etwa Frauen, Homosexuelle und People of Color (PoC).“
Und schon wären wir beim nächsten Problem, den People of Colour. Auch hier wird wieder geschummelt. Als ob dieser Begriff Menschen nicht genauso ausschließlich durch den Gegensatz zu uns Weißen definierte! Hellhäutige sind offenbar immer noch der Referenzrahmen. Klingt auf Englisch nur besser.
Und ein ganz unbeliebtes, doch vielzitiertes neues Wort ist wokeness. Ein Online-Lexikon erklärt den Begriff so: „Im Englischen bedeutet „to be woke“, „wachsam zu sein“ gegenüber Ungerechtigkeiten aller Art; „woke“ ist die erste Vergangenheitsform von „to wake“, „aufwachen“. Im Deutschen wird „woke“ als Adjektiv („Ich bin woke.“) oder Substantiv (im Sinne der Woke-Bewegung oder -Kultur) verwendet.“ — Das ist ja eine wunderschöne Erklärung.Doch was hindert uns daran, dafür ein deutsches Wort zu finden, das dann wirklich alle verstünden? Versuchen wir es probeweise mit Übersetzung: Ich bin wachsam — Ich bin aufgewacht— Ich bin aufgeweckt –?? Sie merken schon, die deutsche Sprache und das deutsche Denken setzen in Bezug auf gesellschaftliche Rücksichtnahme andere Prioritäten. Höflichkeit ist das letzte, — aus dem Mittelalter übrig gebliebene — standesabhängige Relikt an wokeness, das wir besitzen.
Auch das Reden über Inklusion wird auf Deutsch schwierig. Für Exklusion – Ausschluss — besitzen wir ein gutes Wort. Aber Einschluss? Einschließlichkeit? Sowas gibt’s bei uns nicht. Etwa: Eingeschlossen -Sein? Das trifft den Tatbestand, aber in anderem Sinne. Weder in der Schule noch im Flüchtlingsbereich können wir den Begriff Inklusion wirklich allen im Lande verständlich machen. Und um beim Thema zu bleiben: Asylanten werden hierzulande ja nicht als Schutzsuchende, sondern als illegale Migranten bezeichnet, wieder gleich zwei Fremdwörter, die sich gedanklich hinbiegen lassen, wie´s gerade beliebt (wobei ich zudem den gegensätzlichen Begriff legaler Migrant noch nie in Zusammenhang etwa mit Opernsängerinnen oder Oligarchen gehört habe).
Und ganz schlimm wird´s schließlich beim Wort „Pädophilie“ — diesem grauenhaften Lügenwort, das von denen, die Verständnis dafür aufbringen, wörtlich übersetzt als Liebe zu Kindern verstanden und von allen anderen schamhaft sprachlos — und daher unverstanden — hingenommen wird. Warum verwenden wir nicht ganz selbstverständlich das Wort Kinder-Vergewaltiger? Schließlich haben wir für Mord und Totschlag, Diebstahl und Raub ja auch Ausdrücke gefunden.
Bei manchen Dingen wäre es tatsächlich an der Zeit, sie endlich auf Deutsch für alle klar zu benennen. Dann erst werden wir sie im Kopf kapiert haben.