Es mutet geradezu rührend altmodisch und ehrlich an, wenn die alte Jane Fonda sich mit Kopfbedeckung und Maske zum Hotelhintereingang hineinschleicht…
…und erst zu einem Interview bereit ist, nachdem ihre Maskenbildnerin eingetroffen ist.
Man würde sich soviel Rücksichtnahme aufs Publikum auch von Herrn Lugner wünschen. Aber Männer brauchen ihre alten Gesichter und Körper ja nicht öffentlichkeitsfit zu machen, sie finden sich selbst in jedem Alter und Zustand präsentabel — einmal von Berlusconi abgesehen, bei dem allerdings die kosmetischen Behandlungen nicht ausreichend Hollywood-erprobt waren.
Neben solch analoger Maskerade mutet die digitale schon weniger liebenswert an, wenn Photoshop extrem schlanke und langbeinige Models zu anatomisch unmöglichen Vorbildern für heranwachsende Mädchen verbildet und diese damit den Schönheitschirurgen und Psychiatern zutreibt.
Und ganz schlimm wird es, wenn es um Maskerade im Massenausmaß geht. Die paar unverhüllten Querdenker und Nazis, die sich real herumtreiben, würde man im digitalen Raum ja noch ertragen. Doch wenn sich inzwischen weltweit geschätzte 60 Firmenimperien darauf spezialisiert haben, zehntausende Avatare mitsamt Namen, Eigenschaften, Accounts und Adressen zu erfinden und diese dann als Söldnerarmee für jeden, der genug zahlt, gegen reale Menschen und ganze Länder in böse Vernichtungskämpfe zu entsenden*, und wenn diese nun auch noch mittels ChatGPT und anderen Programmen imstande sind, reale Menschen, ihre Stimmen, ihr Aussehen und ihre Sprache täuschend ähnlich zu faken, wo wird das enden? Wahrscheinlich werden wir den viel geliebten digitalen Raum demnächst wieder verlassen müssen. Denn trauen wird man nur noch dem können, was man mit Händen begreifen kann – jedes Gegenüber könnte ein hohles Hologramm sein!
Merksatz: Lebendig und real ist angreifbar. Alles Unantastbare ist Schimäre.
*Nachzulesen in: Die Zeit vom 16.Februar 2023
