In der Regie von Marie-Eve Signeyrole und unter der musikalischen Leitung von Christina Pluhar geriet „Belshazzar“ von Georg Friedrich Händel zu einer konsequent zu Ende gedachten, zeitbezogenen Parabel rund um Eigentum, Macht und Ausbeutung.
Die Orientierung im Stück fiel nicht schwer. Denn die Regisseurin entschied sich die klaren Verhältnisse nicht nur zu benennen, sondern auch via Videoeinspielung zu zeigen. Während „Inside Babylon“ das Wasser in Strömen floss, war „Outside Babylon“ nur Trockenheit und Wüste zu sehen.
Exakt aus dieser eindeutigen Gegenüberstellung schöpfte diese zeitgenössische, aber niemals plumpe oder gar konstruierend wirkende Händel-Auslegung ihre volle Kraft. Schließlich waren die anfänglichen Videoeinspielung erst der Auftakt zu einer Vereindeutigungs-Strategie, die sich cineastischer Mittel bediente.
Die Szenen, vermittelt sowohl mit kurzen Einspielungen als auch mit auf der Bühne agierenden Live-Kameras, zeigten die Welt des Königs als eine Mischung aus Soap-Opera, Reality-TV und Newsberichterstattung. Auch das „Außerhalb“ des Königsreichs, die Truppen rund um Cyrus, der sowohl für das Recht auf Wasser als auch für die Befreiung der geknechteten Juden kämpfte, bekam ähnlich plastische, unmissverständliche Bilder zugeeignet.
Von dieser Eindeutigkeit aus wagte die Inszenierung von Signeyrole den Sprung in die Social-Media und Pop-Gegenwart. Siegreiche Zwischenetappen wurden als Instagram-Ereignisse gefeiert, dekadente Auftritte des Tyrannen Belshazzar, brillant gesungen und gespielt von Robert Murray, als Pop- und Rockkonzerte allerster Kajüte in Szene gesetzt, Drum-Soli inklusive.
Als besonderer Gewinn erwiesen sich bei all diesem positiven Vergegenwärtigungs-Irrsinn die Live-Kameras, die den Protagonisten auf Schritt und Tritt folgten und deren Emotionen und Abgründe mehr als nur deutlich herausstrichen.
Aufgrund dieser dadurch erzeugten unmittelbaren Dringlichkeit, folgte man der Regie und dem grandios-feingliedrig musizierendem Ensemble von Pluhar bereitwillig überall hin. Selbst als man „Outside Babylon“ mit überteuertem „Kings Water“ abgespeist wurde und als es zu fast schon schmerzhaft-intensiven Szenen der Unterdrückung kam, war es noch nicht genug um man wäre noch weiter mitgegangen.
Das mochte neben den großartigen Video-Kunstgriffen der Regisseurin und der überbordenden Musikalität des Pluhar-Ensembles auch, neben Murray, an der fantastischen Jeanine De Bique gelegen haben, der man jede Gefühlsregung abnahm und jeden Ton in seiner schillernden Gefühligkeit glaubte. Das mochte vor allem aber auch am üppigen Bühnenbild gelegen haben, an dem man sich gar nicht sattsehen konnte. Das ihre trugen sicherlich auch die stilsicheren und sich am Puls der Mode orientierenden Kostüme von Yashi bei.
Für all das und für den kollektiven Kraftakt dieser Inszenierung gab es zum Schluss frenetischen Applaus und laute Bravo-Rufe. Von den vereinzelten Buh-Rufe bei der Premiere, vor allem für die Regie, war jedenfalls glücklicherweise keine Spur mehr.