Im Herbst des vergangenen Jahres hat die SPÖ einen Vorstoß gewagt, die Benotung in Schulen mittels Ziffernnoten bis zum 15. Lebensjahr abzuschaffen. Die Diskussion geht vollkommen am Kern der Sache vorbei, weil sich der Streit zwischen progressiven und konservativen Bildungspolitiker:innen einzig und allein um die Ziffernnoten an sich dreht. Der Vorschlag, die Ziffernnoten mit einem umfassenden Feedback an die Schülerinnen und Schüler zu ersetzen, ist das eine. Etwas wäre schon längst umsetzbar. Dazu müssten die Bildungspolitiker:innen unseres Landes nur den Blickwinkel ändern. Weg vom „entweder-oder“ hin zum „sowohl als auch“. Warum diskutieren wir nicht darüber, die Ziffernnoten verpflichtend um ein Feedback zu erweitern? Für die Nostalgiker bleibt damit alles gleich und die Lernenden haben auch etwas davon.
Was sagen Noten aus?
Ohne Einordnung sagen Ziffernnoten nicht wahnsinnig viel darüber aus, welches Potenzial die jeweiligen Schülerinnen und Schüler bei den verschiedensten Fähigkeiten und Fertigkeiten mitbringen. Vor allem aber die Schülerinnen und Schüler selbst können mit einer oftmals willkürlich festgesetzten Zahl nicht viel anfangen. Sie wissen mit einem schlichten 1er, 2er, 3er, 4er oder 5er relativ wenig, welche Hebel sie in Bewegung setzen sollen, um sich schulisch zu verbessern. Die Bildungsforschung bietet hier schon zahlreiche Alternativen und Erweiterungen an, um den Schülerinnen und Schülern laufend Feedback zu geben. Lerntagebücher, Lernportfolios und viele andere Methoden sind ein Zusammenspiel zwischen Lehrpersonen und Lernenden, um gemeinsam und offen kommuniziert Fortschritte zu erzielen.
Wie kommen Noten zustande?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Ziffernnoten zustande kommen. Was Schülerinnen und Schüler als fair erachten ist dabei nicht das wichtigste Kriterium. In den Bildungswissenschaften unterscheidet man nach Noten anhand der Sozialnorm, der Sachnorm und der Individualnorm. Bei der Sozialnorm werden die Leistungen in Bezug zum Klassendurchschnitt gemessen. Nachteil ist hier, dass die gleiche Leistung in einer leistungsstärkeren Klasse schlechter bewertet wird, als in einer leistungsschwächeren Klasse. Die Sachnorm ist ganz klar an den curricularen Lernzielen orientiert. Man sieht also ganz deutlich, wie viel von den Lernzielen jeweils erreich wurden. Nachteil ist hier, dass kaum Differenzierung von stärkeren und schwächeren Schüler:innen möglich ist. Die Individualnorm dagegen stellt den persönlichen Lernfortschritt der einzelnen Schüler:innen in den Fokus. So kann es sein, dass ein grundsätzlich schwächerer Schüler eine bessere Note bekommt, als ein stärkerer Schüler, weil er insgesamt mehr Fortschritt erzielt hat. Nachteil hierbei ist die fehlende Fairness gegenüber der ganzen Klasse.
Das optimale Bewertungssystem gibt es nicht, aber es ist wichtig, die Individualität der Schülerinnen und Schüler als hohes Gut zu betrachten. Die Schule muss es ihnen ermöglichen, ihre eigenen Erfolge zu feiern und Fortschritte für sie greifbar zu machen, um die Motivation, Wissbegierde und den persönlichen Ehrgeiz anzutreiben.