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Die Gesichter der Politik – Nachbetrachtungen zur EU-Wahl

Wir haben vor und nach der Wahl jetzt wirklich zur Genüge Politiker aller Art gesehen. Fotografisch geschönt auf Plakaten und live in Aktion. Dabei war eine gewisse parteiaffine mimische Typologie zu beobachten.

Die meisten Rechtsaußen-Populisten, zum Beispiel, zeigten sich jahrelang (europaweit!) stets mit herabgezogenen Mundwinkeln, bestenfalls mit einem kurzen Mundverziehen unter scharfem Blick, was ein boshaftes Lächeln über einen soeben gelungenen Verleumdungs-Sager, aber ebensogut auch Verachtung für sämtliche Gegner (denn so nennen alle, die anderer Meinung sind) signalisieren konnte. Man musste also annehmen, die Missmut-Mimik habe sich als Zugeständnis an die negative Ausrichtung ihrer Programme und die Übellaunigkeit ihrer Klientel in diesen PolitikerInnen-Gesichtern schon dauerhaft eingegraben. Doch nach ihrem Wahlerfolg haben die Rechtsaußen-PolitikerInnen jetzt doch tatsächlich beinahe lächeln gelernt, auch wenn es oft bloß für ein kaltes Siegerlächeln reichte. Immerhin eine Neuerung! Vielleicht schlägt sich das jetzt auch in positiveren Zukunftsprogrammen nieder?

Etwas, das speziell beim FPÖ-Spitzenkandidaten bei den Vorwahl-TV-Diskussionen auffiel, war nicht die altgewohnte Tatsache, dass er als einziger, sobald ein Redebeitrag für ihn unangenehm wurde, im Akkord sinnlos und lautstark hineinredete, damit man kein Wort mehr verstand. (Erstaunlich daran ist nur, dass die Rundfunkanstalten bisher nie auf die Idee kamen, bei massiver Überschreitung der Redezeit oder Hineinquatschen das jeweilige Mikrofon kurzzeitig stumm zu schalten?) Nein, am meisten fiel auf, dass dieser ansonsten gewiefte Berufspolitiker – alle Medienschulungen missachtend — beständig hektisch den Kopf nach links und rechts drehte, ohne jedoch dort irgendjemanden ansprechen zu wollen. Hier schien sich das gewohnheitsmäßige Nein-Sagen zur persönlichen Marotte eines dauerhaften Kopfschüttelns verselbständigt zu haben. Wir warten nach seinem Wahlerfolg jetzt darauf, dass in Zukunft auch manchmal bei Anträgen anderer Parteien ein bestätigendes Kopfnicken erfolgt. Sonst setzt er sich auf Dauer der Gefahr eines Schütteltraumas aus.

Und offensichtlich darf ein Spitzenkandidat in bestimmten Parteien, will er bei Wahlen punkten oder hat er soeben Wahlen gewonnen, vieles, bloß keine Freundlichkeit ans Wahlvolk verschwenden, sondern muss in alle Ewigkeit zornig schreien und lauthals mit allem und allen drohen, selbst wenn seine Anhänger im Festzelt hinterm Bier schon mit milde verschwommenem Blick friedlich ihre Fähnchen schwenken. Ob diese Politiker aus dem Schreihals-Gehabe je wieder herausfinden? Oder toben sie in den eigenen vier Wänden weiter? Werden sie sich auch in den Arbeitsgremien weiter nur brüllend hervortun?

Andere Politiker gingen es zwar ruhiger an, bleckten jedoch sogar beim üblichen Händeschütteln auf Vor- und Nachwahl-Partys — statt eines zugewandten Lächelns — bestenfalls für einen Sekunde ihr Gebiss und warfen dabei einen suchenden Blick über die Köpfe hinweg, wo der nächste wichtige Funktionär stünde, mit dem man sich abseits des Wahlpöbels den Kameras zeigen könnte.

Und dann sehnt man sich plötzlich wieder nach den Wahlplakaten, auf denen uns unsere VolkvertreterIinnen so freundlich und angenehm stumm entgegenlächelten!  

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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