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Overtourism in Tirol

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Wir sind Weltmeister! Nicht bei den Olympischen Sommerspielen, auch nicht bei den Paralympics. Aber immerhin bei den Touristen! Tirol hat angeblich die höchste Touristenrate pro einheimischem Kopf weltweit.

Und während sie in Barcelona und anderswo die Touristen schon mit Spritzpistolen attackieren, liefert bei uns jeder gewerbetreibende Tiroler noch (wenn auch zähneknirschend) einen Teil seines Umsatzes ab, damit die Tourismusverbände weiter in ihren schönen Büros sitzen und auf internationalen Messen noch mehr Teilzeit-Migranten an- und umwerben können. Soviel Gastfreundschaft kann man dem Tiroler schon zumuten. Dafür durfte er bis jetzt ein bisschen billiger mit den Seilbahnen fahren. Dummerweise hält die EU das jetzt für diskriminierend. 

Darüber, dass die Touristen Öffi-Gratistickets vom Steuerzahler via Tourismusverband gesponsert bekamen, hat sie sich ja auch nicht aufgeregt! Und bei den saftigen Preisen, die das Leben hierzulande kostet, will man einem Touristen natürlich auch nicht zumuten, 1,60 Euro oder gar bis zu 4 Euro mehr pro Nächtigung an Kurtaxe zu zahlen. Da würden manche sicher zuhause bleiben, wenn sie für eine Woche Urlaub satte 11,20 (oder in Innsbruck womöglich bis zu 28 Euro!) Euro mehr berappen müssten! Wer trotzdem käme, würde dann eben ein Bier oder gar ein Mittagessen auslassen – ein enormer Schaden für die heimische Gastronomie!

Für die Menschen aus aller Herren Länder, die unsere gesunde Bergluft atmen wollen, muss der Tiroler im Tal halt ein wenig bezahlen und Verständnis aufbringen. Viel wird ja nicht verlangt. Nur ein bisschen Abgase und Staus in Kauf nehmen und den Verlust von Geschäften im Zentrum, wo man früher anderes als Mode und Souvenirs – einfache Alltagsgegenstände wie Schrauben, Nägel, einen billigen Kochtopf — erstehen konnte. Und wenn es in manchen Tälern für Einheimische keine erschwinglichen Wohnungen mehr gibt und sämtliche größere Bauernhöfe samt ihren weitläufigen Grundstücken an Promis gehen, dient das immerhin der Renaturierung und verschönern die neu geschnitzten Balkone das ansonsten desolate Ortsbild. Und ganz wichtig: die neuen fremdländischen Besitzer belästigen uns nicht mit ihrer Anwesenheit.

Überhaupt brauchen wir die 12 Millionen Touristen im Lande, denn wie sonst könnten wir unsere Klimaziele erreichen? Wie sonst sollten die Liftkaiser ihre Anlagen klimafit umbauen? Da müssten sie womöglich Lifte schließen! Speicherteiche lägen ganz unnütz in der Hochgebirgslandschaft herum, und die praktischen asphaltierten Almwege würden wieder zu Kuhsteigen degradiert! Statt mit sauberem Strom schöne Liftanlagen zu betreiben, würden womöglich Tiroler damit ihre armseligen Wohnungen heizen! Und wie könnten Asfinag und Finanzminister ohne Maut- und Tankeinnahmen überleben?

Doch unsere Regierung hat eine Lösung gefunden: Kompensiert wird das Zuviel an Touristen, das uns alle zugegebenermaßen einen Batzen Geld und Ärger kostet, ganz einfach dadurch, dass man noch schärfer gegen „illegale“ Migranten vorgeht. Die sollen gefälligst zuhause bleiben! Wenn wir an Overtourism leiden, dann ihretwegen! Die wollen nämlich bei uns arbeiten und nicht etwa Urlaub machen! Sowas geht gar nicht!

Nein, wahrlich, wir lieben alle Fremden und wollen ihnen das Beste bieten. Nichts ist uns für sie zu teuer. Nur eine Bitte hätten wir an sie: Bitte fahrt spätestens nach den durchschnittlichen vier Tagen Aufenthalt wieder heim, egal ob nach Deutschland, Holland oder Afghanistan!

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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