(c) Helmuth Schönauer

Jet-Monster

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Wenn man aus heiterem Himmel von Schädel-Weh geplagt wird, spricht man von Jetlag, auch wenn der letzte Flug vielleicht schon Wochen zurückliegt.

Aber nicht nur Luftpassagiere leiden unter diesem Phänomen, auch Bodenbewohner können jäh von Kopfweh geplagt werden, wenn ihnen ein Jet in Flughafennähe über die Frisur rammelt.

In Innsbruck und Umgebung in Kessellage haben physikalisch gesehen gut 200.000 beste Aussichten auf einen bodennahen Jetlag, wenn an Winterwochenenden bis zu 500 Flugbewegungen am Stück stattfinden.
Jeder der bis zu 200 Passagiere in einer Maschine beschallt und beglückt 1000 Bodenmenschen, eine erstaunlich effiziente Methode, Menschen wahnsinnig zu machen.

Mit der Zeit stellen sich Gehör und Psyche auf die permanente Beschallung ein, die Menschen unterscheiden nicht mehr zwischen den einzelnen Flugbewegungen sondern haben den Eindruck von einem großen Monster, das sich über das Firmament spannt.

Der vom Fluglärm dünner heimgesuchte Sommer wird vom Airport dazu genützt, mit den Anwohnern zu kommunizieren, Beschwerden aus dem vorigen Winter abzuwimmeln und auf die anstehenden Schall-Eskapaden vorzubereiten.

Die Protagonisten sind meist die Vereinsmitglieder von AIA (Anrainergemeinschaft Airport) und die Kommunikationsstrategen von INN (IATA-Code für Flughafen Innsbruck).

Wenn alle im Sommer sind, wird darüber in „Mein Bezirk“ berichtet: Flughafen gegen AIA-Vorwürfe. (21./22.8. 2024)

Unter anderem wird erwähnt, dass der Flughafen im Jänner 2024 zwölf mal den Betriebsschluss von 20 Uhr nicht eingehalten hat, weshalb AIA dessen Vorverlegung auf 19 Uhr fordert, damit sich die Terminüberziehung nicht in die Nacht erstreckt.

Der Flughafen reagiert mit dem Pingelig-Argument, eine dieser  Übertretungen habe nur 2 Minuten 17 Sekunden betragen.

Dieses Pingelig-Argument zeigt, dass die Flughafenwirtschaft mit zweierlei Maß unterwegs ist. Gegenüber der Bevölkerung wird man herablassend, was sind schon zwei Minuten Lärm, wenn die Leute eh schon taub sind?
Gegenüber der Abwicklung von Aviatik ist man sehr genau, da muss auf den Meter genau geflogen werden. Oder kann man sich die Meldung des Towers vorstellen, setzen Sie halt irgendwo in der Nähe der Landebahn auf?

Im Sommer werden schon wieder die nächsten Winterflüge ausverhandelt, sie verheißen nichts Gutes. Man ist endlich wieder dran, den Peak von 1,1 Millionen Passagiere von Vor-Covid zu erreichen. 

Das Jet-Monster wird weiterhin gehätschelt und gepflegt. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Zweimillionengrenze sollte bei der Abstumpfung der Innsbrucker ein kommunikativer Klacks sein.

Für den ebenfalls explodierenden Privatflugverkehr wird unter der Hand ein Witz erzählt. 
Wie bekämpfen die Innsbrucker Privatjets? – Indem sie bei Konkurs ihre Landegebühren übernehmen.

STICHPUNKT 24|74, geschrieben am 18.09. 2024

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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