Ich reihe mich hiermit bescheiden ein in die lange Reihe prominenterer Gratulanten: Happy Birthday und viele weitere gesunde und aufregende Jahre, mein Freund!
Du hast mich ein Leben lang treu begleitet. Als wir beide noch jünger waren, hast du als einziger mir die neuesten Pop-Hits der damaligen Zeit vorgespielt, von Beatles bis Stones, Woodstock, Country, Blues, Dylan, was immer — alles bei unseren Altvorderen schwerst verpönt! Von dir habe ich die englischen Liedtexte abgeschrieben und die Melodien kopiert, während ich vorgab Schulaufgaben zu machen — was schließlich für mein späteres Englischstudium jene solide Basis lieferte, die der fade Schulunterricht niemals hätte bieten können. Auch die Inspiration für erste eigene Lieder und die nötigen musikalischen Grundkenntnisse kamen von dir und nicht von der Musikschule, in der es damals bloß Ländler und Walzer und Volkslieder spielte.
Mit zunehmendem Alter haben wir uns gemeinsam zu Jazz und von dort zur Klassik weitergehantelt, sind sozusagen im Programm umgestiegen, auch wenn wir uns heute schon wieder beide nostalgisch an konzertanten Cover-Versionen von Beatles bis Stones bis Dylan bis Cohen ergötzen.
Du hast mich jeden Morgen pünktlich geweckt mit der Nachricht, dass die Welt zwar in katastrophalem Zustand ist, aber immerhin noch steht. Du hast mir jahrzehntelang beim Kochen und Hausarbeiten mit verlässlichen Informationen und Diskussionen zu allem und jedem die dumpfe Arbeit gewürzt und es geschafft, mich immer wieder mit Neuem und Interessantem zu überraschen. Und das Wichtigste: Du hast mich nie mit totalem Unsinn belästigt. Du hast auch nicht ständig versucht, mir nebenbei etwas aufzuschwatzen oder zu verkaufen, wie alle anderen. Du gibst mir jeden Tag einfach uneigennützig und ungefragt Überraschendes zum Nachdenken und bisher Unbekanntes, an dem ich mich erfreuen kann.
Und wenn sie nun laut und lauter drohen, dich mit deinen immer noch so lebendigen hundert Jahren zu euthanasieren, dann sollen sie wissen: Ich werde für dich auf sämtliche Barrikaden steigen! Ohne dich wären meine Tage dümmer, leerer, gänzlich unstrukturiert, — einfach kaum lebenswert — mein Ö-Radio, mein Lieblings- und Lebenssender Ö1!