Im Spartensender des „Touristischen Tagblatts“ (TT) werden ab und zu gelungene Berufsleben vorgestellt, die belegen sollen, wie sinnerfüllt der Tourismus auch für die darin Arbeitenden sein kann.
Im Oktober ist für diesen Zweck ein Privatjet-Pilot zu Gast und berichtet eine Woche lang sinngemäß, dass es nichts Geileres gibt als zu fliegen.
Dazu stellt er seine sympathischen Antworten mit den Schultern in die Kamera, die er abwechselnd vorzieht, damit man während seines Sermons die Streifen zählen kann. Tatsächlich machen diese gestickten Schulterornamente auf weißem Hemd etwas her!
Der Held der Berufswelt geht von den Distinktionen zu den Destinationen über, die er im Laufe des Lebens angeflogen hat. Er liefert privates Videomaterial von Farbspielen über den Wolken und schwärmt von den Sicherheitsvorrichtungen am Innsbrucker Flughafen, die top sind.
Währenddessen streichelt er eine Gulfstream, die im Innsbrucker Hangar steht, welcher ein idealer Heimathafen für Abenteurer ist.
Er versucht einen Meister der Work-Life-Balance zu geben, die ja auf vier Säulen fußt: Beruf, Gesundheit, Soziales, Sinnlichkeit.
Das Problem seines Berufs ist, dass das Glück des Piloten auf dem Unglück seiner Untergebenen fußt, die er regelmäßig mit seinem Jet überfliegt und beschallt.
Jedesmal, wenn er glücklich ist, müssen wir uns zu Tausenden die Ohren zuhalten.
Bei der Definition von Berufsglück sollte man zwischendurch die Frage stellen, wer dafür Opfer bringen und unter Einschränkungen leiden muss.
Ein weißes Hemd für ein strahlendes Berufsbild ist zu wenig, der Lärm der Düsen befleckt das Saubermann-Image.
Bald wird der Pilot übrigens in Pension gehen und sich dem Segeln widmen, weil es dort so still zugeht.
Mögen ihm im Viertelstundentakt Motorboote und Jetskis begegnen, damit er weiß, was er den anderen durch sein verlogenes Berufsbild angetan hat!
Tipp für ahnungslose Berufstätige und Pensionisten:
Sollte der Sender überraschenderweise bei Ihnen vorstellig werden und mit Hilfe einer KI ein gelungenes Porträt von Ihnen machen wollen, bitte unbedingt ein weißes Hemd anziehen und sich etwas auf die Schultern kleben!
Wenn ich Lyrik-Interviews gebe, dann nur im weißen Hemd, auf das ich mir zuvor Dreizeiler an die Schulterpartie geklebt habe.
Nach so einem Auftritt wollen über Nacht oft ganze Jahrgänge ihren mühsamen Job kündigen und Lyriker werden.
STICHPUNKT 24|82, geschrieben am 15.10. 2024