Besonders der Paarlauf. Diese Symbiose aus Musik, Rhythmik, Akrobatik und physischer, individueller Ausdruckskraft begeisterte Herbert K. seit seinen Jugendtagen, als er zu später Stunde, wohlwollend durch die einsetzende Dämmerung den neugierigen Blicken entzogen, seine eigenen eisläuferischen Versuche auf einem zugefrorenen, carinthischen Weiher vollführte. Einen Achter fahren, rückwärts überschneiden, den schwebenden Schwan. Diese Eleganz des Gleitens, diese scheinbare Schwerelosigkeit der Bewegungen, dieses mystische Kratzen der Kufen am Eis. Begleitet von Stürzen und blauen Flecken. Und dennoch: so beglückend.
Ganz anders als das nachmittägliche Herumtollen mit den anderen Buben, die in ihrem Drang zum Tor lediglich Eishockey, Bodychecks und mit Isolierband umwickelte Schläger kannten. Verstauchte Knöchel, der eine oder andere herausgeschlagene Zahn, die primitive Rücksichtslosigkeit der dörflichen Vorzeigestars die in ihrer körperlichen Überlegenheit alles niederwalzten und sich jedem Schiedsspruch mit aggressiver Selbstherrlichkeit entzogen. Wie sehr er das hasste. Frierend zwischen zwei abgelegten Pullovern mehr schlecht als recht das Tor hütete und nur darauf wartete, wenn endlich alle anderen heimgegangen waren, seine tänzerischen Träume zu pflegen.
Der Schritt aufs Parkett, in den Übungssaal der Tanzschule, war dann um so ernüchternder. Die kichernden Mädchen, seine, vor Nervosität bereits nassgeschwitzten weißen Handschuhe – und fast immer eine größere Partnerin. Er war kein Tänzer. Definitiv nicht. Herbert K. bewegte sich immer im Nahbereich der Lächerlichkeit. Besonders beim Tango, wo es gilt die Dame in betonter Machomännlichkeit zu führen. Mit lupenreiner Körperlichkeit. Mit Rhythmus. Mit Eleganz. Dabei wäre Herbert K. nichts lieber als ein Führer. Nicht einmal den Marsch bekam er richtig hin. Mit Frauen klappte es für Herbert K. ganz einfach nicht!
Er würde sich auf keinen Fall zum Petzner machen! Der beinahe hilflos durch den Ballroom torkelte und zum Gespött der versammelten Dancing Stars Gemeinde avancierte. Da tanzt ja die Meissnitzer in Schischuhen noch besser. Quotengeilheit ist immer ein schlechter Ratgeber. Es gilt hier, besonders hier, strategisch zu handeln. Das Tanzen nicht als reine Unterhaltung, sondern als Kulturgut zu sehen. Die Brauchtumsgruppen, die Perchten, ja selbst die Indianer und Schwarzen haben ihre eigenen Tänze. Da muss man sich nicht zum Affen machen, seine Grenzen kennen. Auf die Ästhetik des Körperlichen achten.
Okay, eine Eva Glawischnig kriegt das schon hin, da war sich Herbert K. sicher. Auch eine Zadic – gut, die sollte wohl eher im bosnischen Fernsehen tanzen – oder eine Sigi Maurer. Die braucht halt eine Perücke für ihren Bubikopf. Auf diesem Gebiet, und das wusste Herbert K., hatte seine Truppe noch einiges aufzuholen. Aber mit einer Dagmar, einer Marlene und einer Beate ist nun einmal am Parkett kein Staat zu machen. Nicht einmal am Akademikerball.
Lediglich die Karin Kneissl hatte verstanden, dass wahre tänzerische Kommunikation nicht der großen Show bedarf, sondern hier einzig und allein der harmonische, individuelle, intime und zwischenmenschliche Gleichklang funktioniert. Ein Tanz der so viel mehr ausdrückt, als es diese nichtösterreichischen Juroren namens Balázs Ekker und diese Sarkissova je erahnen können.
Einfach hingehen, voll erregtem Selbstbewusstsein, ein kurzes Nicken als Aufforderung, ein tiefer Blick in die Augen, diese unausgesprochene Übereinstimmung. Und dann mit nacktem Oberkörper, Haut an Haut, die Gürtelschnallen reiben sich bei jeder Drehung, mit dem Bären über das Parkett jagen! Vladimir Vladimirovich. Der Tanz seines Lebens.
Den Hofknicks hat Herbert K. mittlerweile schon geübt.