Kleine Notiz zum Ableben des Kleinstverlegers und Fluxus-Künstlers Gerhard Jaschke (1949-2025)
Im Tiroler Unterland bedeutet das Wort „enten“ so viel wie jenseits, drüben, in einem unbekannten Zustand.
Gerhard Jaschke als Spezialist für Konkrete Poesie, Neo-Dada und Fluxus hat diesen Begriff begeistert aufgenommen, um unter dieser semantischen Schirmherrschaft in Tirol Enten-Happenings zu veranstalten.
Die Aktion ist dokumentiert unter:
Enten – Projektbeschreibung;
Gerhard Jaschke, FREIBORD Nr. 105; 1998
,,Enten“ heißt im heimischen Sprachgebrauch soviel wie drüben, jenseitig, transzendent. Im Journalismus hat sich das Wort als Beschreibung einer fadenscheinig recherchierten Meldung manifestiert. In einer dritten Bedeutung sind Enten Vögel, die ihr Hauptmerkmal, nämlich den Flug, ziemlich aus den Augen verloren haben und dafür wasser-irdisch pragmatisiert worden sind.
Bei der „Enten-Lyrik“ geht es konsequenterweise um alle drei Begriffsfelder. Das obligatorische Vogelmotiv wird eingefangen und zu Boden gezwungen, der Erkenntnis wird Ausblick ins Jenseits verschafft, und die lyrische Recherche bedient sich der Methode von Zeitungsenten.
In einer Vorstudie wurden sorgfältig einige Entengedichte ent-wickelt und in der Zeitschrift FREIBORD Nr. 1oo vorgestellt. (Wie man Stegreif sieht, kommt auch das Wort ent-wickeln von „enten“.)
In einer Schwerpunktnummer FREIBORD 105 sollen nun die jüngsten Ergebnisse der Entenlyrik, eine Abteilung schwere Enten, Aufsätze zur Lyrikstrategie und Zwischenberichte aus dem Lyrik-Labor vorgestellt werden. Die Texte haben besorgt: Dr. Gerhard Jaschke, Herausgeber von FREIBORD, und Helmuth Schönauer, gerichtlich anerkannter Schriftsteller.
Das Projekt,,Enten“ lief in drei Schritten ab: Invention und Installation der „,Enten-Lyrik“, Präsentation an der irdisch/entrischen Schnittstelle, Rezeption mit Hilfe der Zeitschrift FREIBORD.
Die irdisch/entrische Darbietung erfolgte am 10.11.98 im Kulturgasthof Bierstindl. Das Datum wurde weniger wegen des Vorabends des Faschingsbeginns gewählt als vielmehr als Pionierdatum, an dem aliquot zu den Martini-Gansln im Osten die Martini-Enten im Westen eingebracht wurden.
Gerade in einer Zeit, in der von Brüssel aus die systematische Verschleifung der Kulturen organisiert wird, sind identitätsstiftende Installationen von Bräuchen überlebensnotwendig. Der Martini-Transfer ist ein später Gegenbesuch zu jener Verfassung, die der Südtiroler Verfassungsrichter und -produzent Karl Anton Martini 1798 in Galizien in Kraft treten ließ. An der Universität Innsbruck gab es 1998 aus diesem Anlaß ein mittelschweres Martini-Colloquium.
[heschoe 1998]
Gerhard Jaschke und ich haben ausgemacht, dass der Früher-Gehende einen kleinen Nachruf unter dem Zauberwort „enten“ bekommt.
Ich rufe also Gerhard Jaschke zu: „Du bist in guten Händen, du bist enten!“
STICHPUNKT 25|05, geschrieben am 11.01.2025