Einmal die Woche. Darauf hatten sich Herbert K. und seine Frau geeinigt. Ansonsten konnte man nämlich die Mähschneisen des Rasenroboters optisch kaum wahrnehmen. Aber nach so fünf, sechs Tagen reckten die Gänseblümchen und auch der eine oder andere Löwenzahn schon wieder frech ihre Köpfe gegen den Himmel. Und dann konnte der Mäher kommen: gedrungen, beinahe lautlos und mit tödlicher Präzession. Sein Panzer. Seine motorisierte Gartenbrigade.
Jedes mal aufs Neue ein Highlight. Nach einem anstrengenden Arbeitstag. Mit einer Tasse Kräutertee setzte sich Herbert K. auf die Terrasse, schaltete sein Handy aus und versank im kontemplativen Spiel aus Blut und Boden, Angriff, Strategie und gärtnerischem Endsieg. Voller Faszination beobachtete er wie der Rasenroboter seine unbarmherzigen Schneisen ins Gras schlug und weder vorwitzige Blumen noch aufmüpfige Halme übrig ließ, sondern schnittstark und unaufhaltsam seine Spur durch das Feindesland der wuchernden Vegetation zog. Ohne Rücksichtnahme. Plangenau.
Jede Bahn ein florales Gemetzel. Was sich dem rotierenden Messer nicht beugt, wird ausradiert. Lustvoll versuchte Herbert K. immer wieder im Vorhinein zu erraten, wo der nächste Vorstoß des Mähers erfolgen würde. Drüben, bei den Thujen, wo sich gerne ein paar starkstielige Kräuter zu einem Widerstandsnest versammeln, oder dort neben der Einfahrt, entlang der Rabatte, wo sich dieses feige Moos in hinterhältiger Hartnäckigkeit polsterhaft breitzumachen versucht?
„Zum Angriff! Du wirst dich doch nicht von diesen Partisanen ins Bockshorn jagen lassen!“ Herbert K. genoss diese Erregung. Diese hausmeisterliche Macht aus Spiel und Zufall. Herbert K. der Held des uneingestandenen Kleinhäuslertums. Der strahlende Feldherr der urbanen Vorgärten.
Eine Freizeitminiatur seiner Sehnsüchte. Eine stille Anbetung seines Vorbildes. So musste man vorgehen. Mit überlegener Stärke, ohne Rücksicht auf Verluste. Schneise um Schneise pflügte sich der Rasenroboter durch das grüne Dickicht und kehrte nach erfolgreicher Schlacht zurück zur Ladestation, um sich in Bälde erneut dem Kampf zu stellen. Zuerst hinüber zum Biotop, zur Krim. Im Handstreich genommen. Niedergemäht. Beim Flieder, Donezk, im Sturm erobert.
Diese verdammten Narzissen. Kiew. Von seiner Frau für unantastbar erklärt. Mähverbot. So kann man doch keinen Krieg gewinnen! Dieses dekadente Stengelwerk mit seinen gelbrotzigen Blüten!
Klarheit, Einheitlichkeit! Ein reiner Rasen! Die Freiheit der Gleichförmigkeit! Die Freiheit der Uniformität! Kein Platz für irgendwelche Unkräuter und fragwürdige Buntheit! Wer nicht für mich ist, ist gegen mich! Heimischer Rasen auf heimischer Erde! Und alles was sich dem nicht fügt wird ausgemerzt.
Mit jähem Entschluss erhob sich Herbert K. aus seinem Feldherrnstuhl, marschierte die Stufen der Terrasse hinunter, schritt hinüber zu den Narzissen und riss den Begrenzungsdraht rundherum heraus, der bisher seinem Rasenpanzer so erfolgreich Paroli geboten hatte.
Voller Erwartung und Vorfreude eilte Herbert K. zurück zu seinem Sessel und beobachtete pochenden Herzens wie sein Panzer sich in listigen Bahnen den Narzissen näherte, sie umrundete, belauerte, ehe er zur Attacke blies und sie Stück für Stück restlos zerfleischte.
Endlich ein Sieg!
Schrebergartenhäuptling.