Wir fordern – Lernplätze mit Aussicht!

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Immer wenn ich meine Mittagspause in der Mensa verbringe, gehe ich an der Studierzone vorbei. Tagtäglich das gleiche Bild. Zumindest während der Vorlesungszeit. Jeder Platz ist besetzt, jeder kleinste Raum genutzt. In Gruppen sitzen sie da. Ackern sich durch die Kapitel der Prüfungsliteratur, bearbeiten Präsentationen, tauschen sich aus, geben einander Tipps. Von der Idee her, hätte die Universität ja ein Ort des Austausches und der Bildung sein sollen. Der Raum in dem sich die geistigen Größen ihrer Zeit untereinander und mit der nachkommenden Generation austauschen. Richtig gelesen. Der Raum. Wenn man nämlich wirklich fürs Leben lernen, sich umfassendes Wissen aneignen und Bildung genießen will, dann geschieht das nur selten im stillen Kämmerlein, alleine, bei Kerzenschein, über den Büchern, sondern immer nur im Austausch. Mit anderen. Köpfen. Ideen. Ansichten. Und dafür braucht es Raum. Der Diskurs ist entscheidend. Das einander Weiterhelfen. Das Gemeinsame.

Jedes Problem braucht einen Schuldigen

Dass an der Universität Innsbruck eben dieser Raum ein knapper ist, sollte jeder mitbekommen, der sein Büro verlässt und sich auf den Campus wagt. Wenn Studierzonen überfüllt, Sitzgelegenheiten rar und Lernplätze in der Bibliothek Mangelware sind, dann stört das. Dann stört das die Studierenden. Aller Fakultäten. Knappe Ressourcen sind heiß umkämpft und wenn irgendwo etwas heiß umkämpft ist, herrscht selten gute Stimmung. Doch was tun? Wo liegen die Gründe? Hat es die Universität versäumt der wachsenden Nachfrage ein angemessenes Angebot entgegenzustellen? Hat der langfristige Plan versagt? War man nicht vorbereitet auf den Ansturm? Hat man zu lange zugesehen? Wo finden sich die Schuldigen? Die Universitätsleitung die die Problematik ignoriert hat? Der Architekt der eher auf Ästhetik, als auf Nutzen geachtet hat? Die Politik die ihrer Aufgabe nicht nachkommt? Die Studierendenvertretung die zu wenig Druck auf die Zuständigen ausgeübt hat? Fragen über Fragen.
Doch wenn man etwas genauer hinsieht, mit den Menschen spricht so stößt man recht schnell auf ein altbekanntes Problem. Raum kostet Geld. Anpassungen kosten Geld. Ein besseres Angebot kostet Geld. Mehr Lernplätze, größere Studierzonen kosten Geld. Und das ist nicht vorhanden. Dass eine Universität der Öffentlichkeit im Normalfall Geld kostet, ist eine Tatsache. Dass die Öffentlichkeit und damit die Politik die Aufgabe hat, für eine angebrachte Infrastruktur und ausreichend finanzielle Mittel zu sorgen, ebenso. Umso mehr verwundert es dann, wenn man hört, dass sich die eigene Stadt kaum dafür interessiert. Innsbruck ist Sportstadt. Innsbruck ist Weltstadt. Innsbruck ist Kulturstadt. Alles schön und gut und mehr oder weniger auch zutreffend. Innsbruck ist aber vor allem auch Universitätsstadt. Wenn auf circa 120.000 Einwohner, rund 40.000 Studierende kommen, dann ist das wohl mehr als prägend. Wer im Sommer einmal durch Innsbruck gelaufen ist, der wird das wohl bestätigen. Kommune Altersheim. Innsbruck im Sommer.

Die Stadt ist gefordert

Die Stadtregierung scheint sich dieser Fakten alles andere als bewusst. Zumindest ignoriert sie diese sehr gekonnt. Bei dem schon lange geforderten Studierendenticket im öffentlichen Nahverkehr, tut sich ebenso wenig, wie beim dringend benötigten Studentenheim und den astronomischen Mieten. Keine Lösungen, da kein Interesse? Lieber schiebt man die Probleme vor sich her, ignoriert die eigene Jugend, die das Stadtbild prägt, die Gastronomie belebt, für Vielfalt und für einen Austausch sorgt. Neben Bund und Land, die ihren finanziellen Pflichten nachkommen, wäre es auch Aufgabe der Stadtpolitik ihren Teil zu leisten, um die infrastrukturellen Engpässe zu beheben. Anderswo scheint ja genügend Geld für Infrastrukturprojekte vorhanden zu sein. Aber die sind eben schöner, besser zu verkaufen, haben einflussreichere Lobbys hinter sich. Vielleicht sollte man die Probleme dann halt doch typisch studentisch angehen. Denn wo knappe Ressourcen, da braucht es kreative Lösungen. Bananenschachteln statt dem Fernsehregal. Bike-sharing statt teurem Mountainbike. Tivoli Stadion statt klassischem Hörsaal.

ELV Mathe im Bergiselstadion?

Das wäre doch etwas? Innsbruck die Sportstadt, beglückt Innsbruck die Universitätsstadt. Das Tivoli Stadion sieht ja selten mehr als 3.000 Menschen. Da wäre doch genügend Platz für Lerngruppen und Paukerplätze, inklusive Sonnenbad und Liegewiese im Sommer? Das Bergiselstadion wäre der ideale Open-Air-Vorlesungssaal für sämtliche Eingangslehrveranstaltungen, Videowall und Soundanlage inklusive. Im Wintersemester teilt man sich dann mit den Eishacklern und Helene Fischer die Eishalle. Und von den Cheerleadern der Swarco Raiders, die mit ihrem Trainingszentrum in die Kletterhalle am Tivoli ziehen, studiert ohnehin der Großteil an der Uni Innsbruck. Da könnte man Proseminar und Übungseinheit ja gleich zusammenlegen. Und wer würde den Ausblick aus dem Gondel-Lernplatz am Patscherkofel (seit Kurzem ja auch im Besitz der Stadt Innsbruck) nicht genießen? Eine klassische Win-win-Situation für alle, oder nicht? Und die Stadt müsste keinen teuren Jugendolympiaden mehr nach Innsbruck holen, um zu zeigen, dass ihr junge Menschen wichtig sind. Von denen gibt es in dieser Stadt nämlich mehr als genug. Man müsste nur einmal aufhören sie zu ignorieren.

Dieser Text wurde in der April-Ausgabe der UNIpress veröffentlicht. Hier zum Nachlesen.

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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