Die Gemeinderatswahl in Innsbruck ist mit der Bürgermeisterstichwahl vom 29. April 2012 endgültig entschieden worden. Trotzdem kann man sie in vielerlei Hinsicht als richtungsweisend einstufen. Der teilweise sehr harte und an den Grenzen der Fairness und Menschenachtung geführte Wahlkampf forderte vor allem ein Opfer, die Wahlbeteiligung. In Zeiten steigender Politikverdrossenheit und Desinteresse am wichtigsten Instrument der Bürger, dem Wahlrecht, mutet es doppelt bitter an, so einen Wahlkampf beobachtet haben zu müssen. Was kann man jedoch für Schlüsse daraus ziehen? Wohin bewegt sich die Politik in den nächsten Jahren?
Schlachtfeld Social Media
Der Innsbrucker Wahlkampf war nicht der erste, der verstärkt auch über Facebook, Twitter und Co geführt wurde. Trotzdem nimmt er, vergleicht man ihn vor allem mit anderen österreichischen Wahlen, einen besonderen Stellenwert ein. So gibt es schon seit Jahren Personenprofile und Fanseiten für fast alles was sich VertreterIn des Volkes schimpfen darf, Tendenz steigend. Auch wenn bei so manchem mit einer Handvoll Fans die Sinnfrage erlaubt sein muss, so gibt es doch auch Politiker, die großen Einfluss auf die Social Media Gemeinde üben. So verwundert es kaum, dass gerade HC Strache hier die blaue Nase vorn hat. Diese Profile, Seiten und Gruppen dienten bislang jedoch hauptsächlich dazu, Informationen über diese Personen zur Verfügung zu stellen. Einträge drehen sich zumeist um die aktuellen Tätigkeiten, selten wird mit Bildern, Videos, Gewinnspielen und sonstigem populärem Social Media Kram gearbeitet. Innsbruck war augenscheinlich der Start in ein neues Zeitalter. Was hier über Mitglieder des Gemeinderates, Unterstützer der Kandidaten und wahlkämpfenden Personen geteilt und verbreitet wurde, war eine Lawine, welche die ganze Stadt für Wochen eingenebelt hatte. Die Statusnachrichten, öffentlichkeitswirksamen Fotos Marke „Grinsekatze“ grenzten in ihrer inhaltlichen Qualität oftmals an den berühmt berüchtigten Sachverhalt „Fahrrad in China umgefallen“. Zu oft war man als politisch interessierter Wähler der Versuchung ausgesetzt, die Spam Taste zu betätigen, zugegebenermaßen in dem Wissen, dass die Wirkung ebendieser im Nirgendwo verpuffen würde.
Wahlkampf als Wahlkrampf?
Obwohl der Wahlkampf auch verstärkt auf Social Media Basis geführt wurde, soll nicht der Eindruck entstehen, die Parteien hätten das Hauptaugenmerk auf dieses Medium gesetzt. Es war, möchte man es umgangssprachlich ausdrücken, ein regelrechter „Lercherlschas“ gegen das, was uns in den kommenden Jahren und damit Wahlkämpfen erwarten wird. Die für Social Media eingesetzten Mittel und die dort entfaltete Kampfkraft werden weiter steigen. Aber auch abseits von Facebook gab es eine wahre Materialschlacht. Innsbruck war mit Plakaten zugepflastert. Jeder Baum, jede Straßenlaterne und freie Fläche wurde mit politischen Anliegen regelrecht vergewaltigt. Gut, man muss diesen Umstand auch auf die große Zahl kandidierender Listen zurückführen. Trotzdem, man hatte auch in den zwei Wochen vor der Bürgermeisterstichwahl nicht das Gefühl, dass die Zahl der Plakate sich drastisch verringert hatte. Die Wahlgeschenke wurden auch wieder fleißig verteilt, die von langweilig bis ausgefallen alles beinhaltet hatten, jedoch eines nicht: Überzeugungskraft um das politische Interesse und Vertrauen in die Politik zu stärken. Nicht minder öffentlichkeitswirksam und bedauerlicherweise mit nicht viel mehr Überzeugungskraft ausgestattet, stolzierten die Spitzenkandidaten des Öfteren durch die Stadt und versuchten in persönlichen Gesprächen ihre Handschlagqualität unter Beweis zu stellen. Es war ein bemerkenswert groteskes Spiel mit den Wählern, denen man es offensichtlich nicht einfach machen wollte zur Wahl zu gehen. Sicher haben die in den vergangenen Monaten aufgekommenen Skandale um Spitzenpolitiker einen großen Imageschaden bewirkt, nichtsdestotrotz muss die erschreckend geringe Wahlbeteiligung von knapp über 50 % von allen Parteien und Kandidaten verantwortet werden. Zu sehr hat man den Bürger gequält, zu wenig überzeugend konnte man transportieren, dass man für ein neues Zeitalter der Politik einsteht. Dieses Zeitalter ist längst angebrochen und sollte uns mit Sorge auf unsere Geschichte zurückblicken lassen. Jahrhundertelang hatten unsere Vorfahren um Bürgerrechte und Mitbestimmung gekämpft. Sie sind nicht nur dafür eingestanden, sie sind dafür bis in den Tod gegangen. Dass wir heute damit beginnen, diesen Einsatz unserer Ahnen mit Füßen zu treten, sollte uns zu denken geben. Gerade junge Menschen verlieren den Glauben an die Politik. Zugegebenermaßen handelt es sich um eine Mischung aus fehlender Information und der fehlgeschlagenen Politik der letzten Jahre. Das soll jedoch keineswegs als Entschuldigung gelten, sondern sollte uns mahnend dazu anhalten, alles dafür zu tun, die Bürgerrechte zu stärken und die Politik transparenter und lebhafter zu gestalten.
Quo vadis Politik?
Die Zukunft der Politik liegt wieder vermehrt in den Händen des Demos, die BürgerInnen werden verstärkt Mitspracherecht bekommen und aktiv gestalten dürfen. Ob sich dieses Konzept positiv auf die Realpolitik auswirken kann, muss man auf einen Versuch ankommen lassen. Um die schwindende Wahlbeteiligung zu erhöhen, wird es nur so und nicht anders gehen. Viele Trends der letzten Monate weisen zum Glück daraufhin, dass die Parteien die Bürgerbeteiligung als einen wichtigen Ausweg aus dem Politchaos sehen. Der Erfolg der Piratenpartei ist in diesem Zusammenhang zu nennen und er ist sicherlich auch richtungsweisend für die anderen Parteien. Die ÖVP hat mit einem von ihrer Jungen Volkspartei ausgearbeiteten Konzept den ersten Schritt gesetzt. Ein guter Anfang, der jetzt noch konsequent zu Maßnahmen umgesetzt werden muss. Nur so kann und muss der Teufelskreis der Politik gestoppt werden!