Bei der schwedischen Okkult-Rock-Band Ghost geht es, frei übersetzt, meist nur um das Eine. „Wir stehen hier nahe der Unterwelt – und die Welt ist in Flammen.“ Was läge angesichts dieser erfreulichen Situation näher, als dem Biest mit vielen Namen ein fröhliches und hymnisches Ständchen zu singen? Als kleines Dankeschön quasi für die bis dahin erbrachten Leistungen. Es handelt sich um ein schönes Lied für Luzifer, Satan, den Teufel, den gefallenen Engel, Beelzebub, you name it. Er hat es sich verdient! „He is“!
Mit Ghost wird der gepflegte Satanismus endlich wieder salonfähig! Zweifelsfrei lässt sich mit ihrer aktuellen Platte „Meliora“ auch die beinahe schon in Vergessenheit geratene, schöne und liebenswerte Tradition des Tischerlrückens wieder etablieren. Die Option eine Jungfrau zu opfern und deren Blut zu trinken steht ebenfalls im Raum. Es lässt sich kaum ein Soundtrack vorstellen, der dieses wunderschöne, viel zu selten gepflegte Ritual besser untermalen könnte.
Allgemein wird dem Teufel und der Hölle ja nicht allzu viel Gutes attestiert. Üble Qualen leide der vom Weg abgekommene Mensch in der Hölle. So sagt man. Von wegen ewige Verdammnis und so. Unschön sei es da unten, außerdem heiß und die Menschen nicht sonderlich freundlich. Eine bekannte Beschreibung der Hölle meint gar, dass dort Leute mit langen Löffeln säßen, die es aber nicht begreifen würden, dass sie sich eigentlich nur gegenseitig füttern müssten.
Stattdessen versuchten sie verzweifelt mit den zu langen Löffeln Essen in ihre eigenen Münder zu stopfen. Kein Wunder, dass das scheitert und die Höllenbewohner und Höllenbewohnerinnen aufgrund ihres hier unterstellten Egoismus schlicht und einfach dem Verhungern sehr nahe kommen. Die Hölle, das sind nicht die anderen. Die Hölle, das ist man schon selbst mit seinem Egoismus, seinen Verfehlungen und seiner Blödheit. Die Hölle: Verdammt noch mal zu heiß, von einem schlecht gelaunten Chef gemanagt und von dummen Menschen bevölkert.
Nun könnte der kluge, vernunftbegabte Mensch durchaus glauben, dass es nicht sonderlich erstrebenswert sei, auf ewig in diesem Ort einzuchecken. Einige Argumente sprechen auch gegen die Hölle. Wenn da nur nicht diese Musik wäre! „All die Dinge, die du begehrst findest du hier im Feuer!“ So legen es Ghost nahe. „Schrei nach Absolution“ meinen sie im selben Lied. Es ist aber schon klar, dass das mit der christlichen Absolution nichts mehr wird. Ab ins Feuer. Ab in die Hölle. Ab Ghost hören. Sie haben die verführerischsten, großartigsten und mitreißendsten Refrains, Riffs und Songs westlich der ewigen Verdammnis.
Ein wenig werden wir uns aber noch gedulden müssen und unser Dasein in dieser doofen Welt hier weiter fristen müssen. Aber nicht mehr lange und schon wird unser hoch geschätzter Teufel die Welt an sich reißen und ins Verderben stürzen. Das wird ein Spaß. Mit ganz viel Feuer, Menschenopfern und schwarzen Messen wird dieser Untergang würdig inszeniert und begleitet werden. Es ist jetzt schon klar, wer den Soundtrack für dieses Großereignis schreiben wird. Möglicherweise wurde dieser mit dem grandiosen „Meliora“ bereits komponiert und das Ende ist nahe. Es besteht also Hoffnung!
Ich kann nur für mich sprechen. Ich bin überaus froh dieses Album gefunden zu haben! Ohne diese fantastische Platte hätte ich mich doch tatsächlich im Ernstfall der Apokalypse auf die falsche Seite gestellt. Jetzt weiß ich, dass die Hölle bewusst schlecht geredet und schlecht geschrieben wird um davon abzulenken, dass es in ebendieser die wesentlich bessere Musik als im Himmel gibt.
Auch die Menschen oder besser gesagt die verlorenen Seelen dort sind weit besser als ihr Ruf. Zusammen mit dem Sänger der Band Papa Emeritus III und seinen „Nameless Ghouls“ werden wir in nicht allzu ferner Zukunft in der gut gewärmten Hölle am Feuer sitzen, Würstchen Grillen und es uns an nichts fehlen lassen. Bier in rauen Mengen und Metal ohnehin an der Tagesordnung.
Mit „Meliora“ und Ghost lächelnd in die ewige Verdammnis!
Im Hintergrund ist dann ganz deutlich zu hören: „Ich kann den Donner hören, der in dein Herz hereinbricht. Ich kann durch all deine Narbe tief in dich blicken.“ Keine Frage somit, dass sich Ghost als treuer und gutherziger Wegbegleiter auf die dunkle Seite der Macht eignen. Sie kümmern sich liebevoll um all ihre weißen Schäflein, die vom Weg abgekommen sind. Alles halb so wild, denn Ghost verstehen uns mit all unseren Schwächen und Narben.
Bis endlich die Welt in Flammen steht und wir mit dem viel gerühmten und oft besungenen Biest lächelnd, singend und tanzend in die Unterwelt spazieren, können wir uns noch ein wenig die Zeit vertreiben. Zum Beispiel damit beim Autofahren bei geöffneten Fenster lauthals den Refrain von „Spirit“ mit zu grölen. Das wäre dann schon mal ein guter Vorgeschmack auf die Hölle. Für uns und die anderen.
Auch der gepflegten Teufelsanbetung solltet ihr eine ernsthafte Chance geben. Von geopferten Jungfrauen und Anrufungen des Gehörnten war ja schon die Rede. Ich bin aber sicher, dass euch nach dem Hören dieser hinreißenden Platte auch noch das eine oder andere einfallen wird, das hier nicht genannt wurde.
Ich schließe nicht einmal aus, dass dieses Album bestens für das Schäferstündchen geeignet ist. Die richtige Partnerin natürlich vorausgesetzt. Möglicherweise kann die besagte Partnerin danach auch noch in einer anderen Funktion stehen, siehe wenige Sätze weiter oben. In der Welt von Ghost nimmt man es nämlich mit Jungfrau oder nicht nicht allzu genau. Hauptsache die Inszenierung stimmt!
„Meliora“ von Ghost ist jedenfalls eine Platte für jedermann und jederfrau. Egal ob Satanist oder (noch) nicht. Bessere Songs wird man im erweiterten Rock- und Metal-Kontext so schnell nicht finden. Diese Songs sind so gut und eingängig, dass sie gar im Mainstream-Radio laufen könnten. Die Weltherrschaft von Ghost steht ohne Zweifel kurz bevor. Das hat alles System und folgt dem Plan, die Menschen jetzt schon auf die richtige, dunkle Seite zu holen. Damit dann im Ernstfall die Positionen geklärt sind.
Vermutlich haben die Bandmitglieder für diese Songs ihre Seelen verkauft. Eh schon wissen an wen. Aber in der Hölle braucht es die ohnehin nicht. Da genügen ein paar Gitarren, Bass, Schlagzeug, Keyboards und die immensen Qualitäten als Musiker und Songwriter.
Es wird also alles gut. Keine Sorge. Wenn die Welt kurz vor dem Ende steht, werden uns Ghost liebevoll und verständnisvoll an der Hand nehmen und uns an den Ort begleiten, an dem die Musik gut und hymnisch ist. „Meliora“ ist ein mehr als guter Vorgeschmack auf diese freudvolle ewige Verdammnis. Ich kann es kaum mehr erwarten – und höre mir zum Zeitvertreib bereits zum dritten Mal am heutigen Tag dieses Teufels-Album an. Ihr solltet es mir gleichtun.
Titelbild: Ester Segarra