Ein Journalist arbeitet mit Informationen. Seine Aufgabe ist es, die Welt und die Dinge, die auf dieser geschehen, so richtig darzustellen wie irgendwie möglich. Er bekommt ein Thema vor die Füße geworfen und begibt sich alsbald auf die Suche nach der Wahrheit. Dafür ruft er Menschen an, bittet Pressestellen um eine Auskunft und sammelt so wichtige Daten und Fakten.
Nach erfolgreicher Daten-Kollekte schreibt er diese nieder und formuliert verständliche Sätze, die aneinandergereiht einen Sinn ergeben. All das tut er unter dem Diktat der Objektivität, stets bemüht keine Wertigkeit und vor allem keine eigene Meinung in den Text einfließen zu lassen. Die interessiert natürlich niemanden. Er ist seinem Leser verpflichtet und der wünscht sich objektive Informationen, objektive Artikel und damit einen objektiven Journalisten.
Wenn ein Medium dann viele solcher objektiven Journalisten angestellt hat, nennt man das Qualitätsjournalismus. Das ist die höchste zu erreichende Auszeichnung. Quasi so etwas wie es das AMA-Gütesiegel für Fleischhauer und die WM-Goldmedaille für Friseure ist. Wer das Prädikat Qualitätsjournalismus oder Qualitätsmedium bekommt, der hat es geschafft. Der ist angekommen – ganz oben im Olymp der Schreiber. Nun darf man, als neu auserkorenes Qualitätsmedium, erstmals Leitartikel verfassen. Das sind jene Texte, in denen die besten objektiven Journalisten, der objektivsten Medien, ihre eigene Meinung zu einem bestimmten Thema kundtun.
Dieser Leitartikel wird dann so lange von der kritischen Öffentlichkeit abgenickt und laut beklatscht, so lange er den Ton der Masse und deren Meinung trifft. Tut er das nicht, ist das Raunen groß. „Und ihr wollt ein Qualitätsmedium sein?“ und „Das ist einem Qualitätsmedium unwürdig!“ – heißt es dann. Wenn das zwei, drei Mal in Folge passiert, verglüht der Journalisten-Stern so schnell wie er aufgegangen ist und man darf sich in die verachteten, gehassten, belächelten, ewigen journalistischen Jagdgründe, called „Boulevard“, verabschieden.
Will man als Journalist also etwas gelten, dann sollte man sich selbst einen Gefallen tun und stets objektiv berichten. Meinung ist verpönt, außer sie trifft den Geschmack der Masse. Etwas zu Loben geht quasi immer. Außer man lobt die Falschen. Die Falschen sind Menschen und Gruppen, die entweder zu viel Macht besitzen oder sich am Rand der allgemeinen Akzeptanz-Landkarte bewegen. Minderheiten quasi. Wobei es hier Unterschiede gibt. Aber das ist ein anderes Thema. Mit dem Kritisieren verhält es sich übrigens ähnlich wie mit dem Loben. Kritisieren darf man jene, die auch von der Masse mit Argwohn und Misstrauen betrachtet werden. Leute mit viel Geld, Leute, die Waffen verkaufen, Leute, die Kriege anzetteln, Wirte, die zu teures Essen verkaufen, Autohersteller, die Schummeln, Atomkraftbefürworter und so weiter und so fort.
Man sollte es als Journalist also auf jeden Fall vermeiden, seine eigene Meinung kund zu tun. Wenn man das doch einmal tut – dann bitte bloß nicht die Falschen loben oder kritisieren. Wer all das beachtet hat, dem fehlt nur ein Schritt zum absoluten Glück. Er sollte nicht vergessen, dass seine Arbeit irgendwie finanziert werden muss. Und das wird sie meist durch Anzeigen. Die schalten übrigens Gruppen oder Unternehmen, die ein gewisses Interesse daran haben, ihre Botschaften an die Öffentlichkeit zu bringen und dabei gut auszusehen. Wie praktisch, dass es objektive Journalisten gibt, die bezahlt werden müssen und die schöne Texte schreiben, die jeder glaubt.
Wer also beim nächsten Mal, wenn ein Journalist oder Autor seine eigene Meinung kund tut, laut aufschreit und brüllt – „das ist kein Qualitätsjournalismus. So etwas darf nicht sein“ – der soll, wenn die Parole verklungen ist, kurz darüber nachdenken, ob er nicht doch lieber einen kritischen, pointierten, zugespitzten Meinungstext liest, der gewisse Hintergründe aufzeigt und zum Reflektieren anregt – das würde generell so manchem gut tun … die Wahrheit liegt ja meist irgendwo dazwischen.