In den letzten Wochen scheint es fast zum Trend geworden zu sein, neue Parteien zu gründen. Sie schießen derzeit aus dem Boden wie die Schwammerl im Frühherbst. Obwohl es ein wenig nach neuem Volkssport riecht, kann man diese Vorgänge nicht einfach als momentane „Spinnerei“ abtun, sondern muss sie todernst nehmen, da sie durchaus ein Anzeichen für Veränderungen in der Bevölkerung und dem politischen System sind.
Traditionelles Österreich
Österreich ist in vielerlei Hinsicht ein traditionsbewusstes und wertbewahrendes Land. Ein Phänomen, das nicht nur in sozialer und kultureller Struktur Niederschlag fand, sondern auch über Jahrzehnte die heimische Innenpolitik prägte. So gab es von 1945 bis in die späten 80er Jahre ein fast einzementiertes Zweieinhalb-Parteiensystem, in dem sich die beiden Großparteien fast schon katholisch-brüderlich die Macht teilten. Die Wende in etwas, das der österreichische Politologe Anton Pelinka als „Windstille“ bezeichnet, brachte eine erste turbulente Phase der Politik: die 80er Jahre. Österreich beschäftigte sich erstmals mit seiner Kriegsvergangenheit, die Ökologiebewegung kam auf und die Gesellschaft wurde generell offener. Was auf jene turbulente Phase folgte, war wiederum eine Phase der Beruhigung und der Übergang in ein stabiles Vierparteiensystem, auch wenn die Großparteien weiterhin an Boden verloren.
Finanzkrise als Stein des Anstoßes?
Als im Jahr 2007 die Wirtschaftskrise von den Vereinigten Staaten ausschwärmte um die Welt zu erobern, kam auch die langsame aber stetige Wende in den politischen Systemen Europas. Die EU, gegründet um den wirtschaftlichen Zusammenhalt und Erfolg voranzutreiben und mit ihr ihre gemeinsame Währung, der Euro, kamen erstmals ins Straucheln und büßten vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung an Vertrauen ein. Obwohl Österreich auch in Zeiten der Krise noch gut dasteht und wirtschaftlich zu den stärksten Nationen der EU gehört, gab es einen Ruck in der österreichischen Politik und Gesellschaft. Zusätzlich zur steigenden Verunsicherung in der Bevölkerung, kamen auch noch zahlreiche Fälle von Korruption quer über alle Parteien, mit dem Epizentrum in der ÖVP. Die Menschen begannen das angekratzte Vertrauen in die Politiker weiter zu verlieren und trauen ihnen die Führung des Staates, vor allem in Krisenzeiten, nicht mehr zu. Die Wahlbeteiligung sinkt ins Bodenlose, Protestwähler werden mehr und als Reaktion darauf gründen sich immer mehr Parteien, die ebendiese Protestwähler und Nichtwähler ansprechen und auffangen wollen. Aber wie gründet man eigentlich eine Partei und braucht Österreich mehr „wählbare“ Alternativen überhaupt?
Die Gründung einer Partei
Eine Partei zu gründen, ist, zumindest in Österreich, kein kompliziertes Unterfangen. Man braucht lediglich eine Satzung beschließen und diese ist dann im Innenministerium zu hinterlegen. Das Innenministerium wiederum muss ein öffentlich einsehbares Verzeichnis über die hinterlegten Satzungen führen, welches die Namen der politischen Parteien und das Datum der Hinterlegung der Satzung zu enthalten hat. Das ist laut dem Parteiengesetz des Jahrs 2012, neben der Zahlung von ca. 60 Euro, die einzige Hürde auf dem Weg zur Gründung einer Partei. Dass eine Parteigründung in Österreich relativ einfach ist, zeigt sich auch an dem Faktum, dass derzeit ca. 900 Parteien in Österreich existieren. Da die Auflösung einer Partei jedoch nicht gemeldet werden muss, befinden sich sicher auch einige Karteileichen unter den zahlreichen politischen Vertretern. Außerdem sind Parteien in Österreich nicht dazu gezwungen, wirklich politisch in Erscheinung zu treten oder gar ein Programm aufzustellen. In Deutschland verhält sich die Situation anders. Dort müssen Parteien auch einen Nachweis über ihre Tätigkeit erbringen, das Aufstellen eines Programms ist gar Grundvoraussetzung, um überhaupt eine Partei gründen zu dürfen. Die durchschnittliche Lebensdauer von Parteien in Deutschland beträgt gerade einmal ca. acht Jahre. Seit 1969 haben in Deutschland drei Viertel aller anerkannten Parteien diesen Status auch wieder verloren. Der Bundeswahlleiter hat ihnen die Parteieneigenschaft wieder aberkannt. Das führt dazu, dass es in Deutschland weit weniger politische Parteien gibt als in Österreich, zumindest auf dem Papier. Trotzdem werden in Deutschland auch viele neue Parteien gegründet, die wiederum andere gestrichene Parteien ersetzen, ein steter Wechsel.
Parteienfinanzierung
Woher die Parteien ihre Gelder lukrieren, ist nicht immer ganz einfach nachzuvollziehen, was gerade in der derzeitigen politischen Lage einiges an Zündstoff beinhaltet. Man geht jedoch davon aus, dass rund 300 Millionen Euro jährlich den Parteien auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene zufließen. Dabei handelt es sich um Steuergelder, Mitgliedsbeiträge, Spenden, Beiträge von MandatarInnen und Verbänden. Österreich ist damit weltweit im absoluten Spitzenfeld angesiedelt. Dabei gibt es auch eklatante Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. So ist die Parteienförderung in Wien mit 28,9 Euro pro Wahlberechtigtem am höchsten, währenddessen sie mit 13,4 Euro pro Wahlberechtigtem in Vorarlberg am niedrigsten ist. Wie viel davon am Ende auf die Parteien und die Klubs entfällt, ist nicht in jedem Land transparent genug um es nachvollziehen zu können. Ein großes Problem an der Parteienfinanzierung in Österreich ist auch, dass sie anhand der Wahlberechtigten berechnet wird. In Deutschland wird die Finanzierung anhand der tatsächlich abgegebenen Stimmen berechnet, was die Parteien wesentlich abhängiger von einer ordentlichen Performance bei Wahlen macht. Die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre brachte in Österreich also nicht nur mehr potenzielle Wähler für die Parteien, sondern auch mehr Geld.
Brauchen wir neue Parteien?
Dieser Tage scheint es fast ein Gesetz zu sein, seine eigene Partei ins Leben zu rufen. Beinahe jeden Tag liest man in der Zeitung, welche wichtige oder weniger wichtige Persönlichkeit sich jetzt doch dazu durchgerungen hat, eine Partei zu gründen. Allen voran steht hier jedoch Frank Stronach, dem man wohl die größten Chancen zurechnet, auch tatsächlich in den Nationalrat einzuziehen. Er hatte es schon Monate vorher propagiert, man könnte also meinen, es wäre von langer Hand geplant gewesen. Falsch gedacht! Lange Planung ist nicht gerade die Stärke von Frank Stronach, was er auch als Mäzen von zahlreichen Fußballclubs immer wieder unter Beweis gestellt hatte. Auch Geduld vermag nicht gerade zu seinen Stärken zählen, was es umso spannender machen wird, ob er am traditionell sehr zähen Feld der Politik lange überleben wird. Er tritt selbstbewusst und mit dem vermessenen Ziel an, zwischen 20 und 30 Prozentpunkte bei der Wahl im nächsten Jahr zu erreichen. Programmatisch spricht er vielen Menschen aus der Seele, was nichts daran ändert, dass man sich beim Lesen seines Parteiprogramms in die Steinzeit zurück versetzt fühlt. Seine bislang am meisten propagierte Forderung ist wohl die Rückkehr zum guten alten Schilling. Eine Währung, die den meisten Menschen aufgrund sentimentaler Überwältigung die Tränen in die Augen schießen lässt. Was davon realwirtschaftlich zu halten ist, sollte gerade ein erfolgreicher Unternehmer wie Stronach wissen, möchte man zumindest meinen. Mit viel Gezeter und provokativen Forderungen tritt er auf und wird den Sprung in den Nationalrat wahrscheinlich auch schaffen. Grund dafür ist, dass die Traditionsparteien in Österreich nicht fähig sind, aufzuwachen und ihre eigenen Strukturen zu ordnen. Sie klammern sich geradezu krampfhaft an Macht und Korruption, um diese auch zu erhalten.
So ist es keine Überraschung, dass die Politik der aktuellen Zeit nicht gerade die klügsten Köpfe anzieht, so ehrlich muss man einfach sein. Machtgeilheit regiert die heimischen Parteien, auch wenn ihnen bewusst sein dürfte, dass Ruhm und Ehre damit seit langem nicht mehr einhergehen. Österreich befindet sich am Scheideweg, das zeigt auch der Umstand, dass derzeit so viele Parteien gegründet werden wie noch nie und einige davon auch reelle Chancen haben dürften ins Parlament zu kommen. Wir müssen uns zwar noch nicht davor fürchten, bald italienische Verhältnisse bei uns vorzufinden, trotzdem ist es problematisch, wenn immer mehr Menschen den Glauben in die Politik und die Politiker verlieren und ihre Hoffnungen in Methusalem und seine „Schilling-Jünger“ setzen. Tragische Realität ist vor allem auch, dass die beiden Traditionsparteien, denn Großparteien sind sie schon lange nicht mehr, nicht in der Lage sind. programmatisch darauf zu antworten. Das einzige, was ihnen als Antwort einfällt, ist die populistischsten Punkte der scheinbar erfolgreichen Mitbewerber einfach zu kopieren und darauf zu setzen, dass die Menschen es ihnen, den Traditionsparteien, eher zutrauen diese auch in die Tat umzusetzen. So kann man keine Politik machen. Sie meinen es ist zeitlos, die Menschen spüren jedoch, dass es ideenlos und sinnlos ist. Die Politik muss wieder damit beginnen an ihre eigenen Ideen zu glauben und sich auch zutrauen diese umzusetzen. Wer zu sehr auf die anderen schaut und versucht diese mit schwacher Wahlkampfstrategie zu kopieren, wird kläglich scheitern.